Vor 100 Jahren legte Alfred Vogel den Grundstein für die nach ihm benannte Firma. Heute verarbeiten rund 170 Mitarbeitende frische Pflanzen zu Arzneimitteln, erkunden das noch brachliegende Potenzial des Apothekenschatzes der Natur und teilen ihr Heilpflanzenwissen mit der Bevölkerung.
von Tanya Karrer
Süss rinnt er die Kinderkehle hinunter und beruhigt nicht nur die gebeutelten Bronchien, sondern auch die Seele. Der Hustensirup mit dem grünen Logo macht Erkältungen seit Generationen etwas erträglicher. In diesem Jahr feiert die Herstellerfirma A.Vogel AG nun ihr hundertjähriges Bestehen. Die Samen, die der Gründer Alfred Vogel einst säte, werden noch heute im wörtlichen wie übertragenen Sinn weitergepflegt.
Gut schlafen mit Lattich
Anfangs September reisten rund 2500 Menschen ins thurgauische Roggwil, um zu feiern. Bei bestem Wetter liessen sie sich in die Geschichte der Firma und die Herstellungsprozesse ihrer pflanzlichen Heilmittel einführen. Alfred Vogel hatte 1923 mit seinem ersten Reformhaus in Basel den Grundstein für das heutige Unternehmen gelegt. Das Wissen um die wohltuende Wirkung von Heilkräutern gaben ihm sein Vater und seine Grossmutter mit auf den Weg. Sein Wissensdurst und die Suche nach weiteren Medizinalpflanzen trieben Alfred Vogel um die halbe Welt.
Im traditionellen Wissensschatz über pflanzliche Arzneimittel gibt es noch viel zu entdecken.
Andy Suter, CEO der A.Vogel AG, ist überzeugt, dass es auch heute noch im traditionellen Wissensschatz über pflanzliche Arzneimittel viel zu entdecken gibt. «Entsprechend suchen unsere Ethnobotaniker und -botanikerinnen laufend nach neuen Anwendungsmöglichkeiten des Apothekenschatzes der Natur», sagt er. Im Lattich, einer hiesigen Pflanze, sind sie fündig geworden. Was bei uns oft im Salat landet, schätzten die Menschen der Antike und des Mittelalters seiner beruhigenden Wirkung wegen. Gemischt mit Melisse, soll der Lattich als Nahrungsergänzungsmittel nun auch den Schlaf des modernen Menschen fördern. Die A.Vogel AG führt derzeit klinische Studien dazu durch.
Alfred Vogel, Pionier der Naturheilkunde
Alfred Vogel (1902–1996) eröffnete 1923 ein Reformhaus in Basel. Der Autodidakt gründete zudem einen Verlag, um seine eigenen Schriften zur Naturheilkunde herauszubringen. 1963 baute er die Firma Bioforce auf, aus der 2020 die A.Vogel AG hervorging. Von Alfred Vogel stammen bekannte Zitate wie: «Man ist, was man isst» oder «Die Natur war meine liebste Universität».
Vertrauen dank Sonnenhut-Studie
1953 traf Albert Vogel auf einer seiner botanischen Forschungsreisen in Amerika auf Ben Black Elk. Der Oglala-Lakota-Häuptling weihte ihn in die Geheimnisse der Heilkraft des Roten Sonnenhutes (Echinacea purpurea) ein. Zurück in der Schweiz baute Vogel die Pflanze hier ebenfalls an und verarbeitete sie später zu einem Immunabwehr stärkenden Arzneimittel. Dass um dieses Präparat dereinst ein wahrer Hype entstehen würde, hätte sich Vogel damals wohl kaum träumen lassen. Als im Jahr 2020 die Corona-Pandemie wütete und händeringend nach Gegenmitteln und immunstärkenden Arzneimitteln gesucht wurde, geriet das Arzneimittel der A.Vogel AG ins Rampenlicht der internationalen Presse.
Das Vertrauen in unsere Firma und unsere wissenschaftlichen Studien ist heute grösser denn je.
Das Labor Spiez hatte in einer In-vitro-Studie festgestellt, dass das Echinacea-Präparat das SARS-Co-Virus unschädlich machen könnte. Klinische Studien dazu stehen noch aus – solche Studien weisen die Wirksamkeit eines Arzneimittels beim Menschen nach. Von einer In-vitro-Studie bis zur Zulassung ist es ein weiter Weg. Clemens Umbricht, Mediensprecher der A.Vogel AG, freut sich dennoch: «Das Vertrauen in unsere Firma und unsere wissenschaftlichen Studien ist heute grösser denn je.»
Naturheilkunde zum selbst Erleben
Das Vertrauen, das die Ostschweizer Firma geniesst, dürfte auch mit dem jahrzehntelangen Effort zusammenhängen, nicht nur verlässliche pflanzliche Medikamente herzustellen, sondern die Menschen auch an der Naturheilkunde teilhaben zu lassen. So tingelte Alfred Vogel einst nach seiner Amerikareise durch die Schweiz, um der Bevölkerung seine «Beobachtungen über Ernährungs- und Gesundheitsfragen bei den Eingeborenen» von Mexiko näherzubringen, wie es in einer Annonce hiess. Schon in den 1940er-Jahren hatte er die «Dr. Vogels Gesundheitsnachrichten» herausgegeben, und 1952 den Buchbestseller «Der kleine Doktor». Beide erscheinen noch heute, ebenso wie inzwischen eine Vielzahl neuer Bücher. Heute pilgern Interessierte auch zu den beiden Besucherzentren in Roggwil (TG) und Teufen (AR). Am Echinapoint am Hauptsitz des Unternehmens erfahren sie, was die Kraft des Roten Sonnenhutes ausmacht und welche wirksamen Pflanzen im Hustensirup stecken.
Pflanzliche Arzneimittel made in Switzerland
Die A.Vogel AG ist eine der grössten Herstellerinnen von Phytotherapeutika und gesunden Ernährungsprodukten auf dem Schweizer Markt. Für 2023 erwartet sie ein Umsatzwachstum von 4 Prozent auf 120 Mio. Schweizer Franken. Für die Forschung und Entwicklung wendet das Unternehmen im Jahr rund eine Million Schweizer Franken auf. Jährlich baut A.Vogel rund 200 Tonnen Heilpflanzen an und verarbeitet diese zu Heilmitteln, die sie in mehr als 20 Ländern vertreibt. Das Unternehmen beschäftigt an den beiden Schweizer Standorten in Roggwil TG und Teufen AR rund 170 Mitarbeitende, weltweit sind es etwa 500.
Weitere Informationen zum 100-Jahr-Jubiläum der A.Vogel AG.
Bilder: zVg A.Vogel AG / E-Periodica ETH Zürich
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