Fallen Kinder durch übermässige Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität auf, lohnt sich eine medizinische Abklärung. Die Symptome bedeuten nicht zwingend ein ADHS – rund jedes zwanzigste Kind ist davon betroffen. Neben der medikamentösen Behandlung stehen heute zahlreiche sanfte Therapien zur Verfügung.
Fabrice Müller – updated 5.12.2023
Strategien erlernen, um mit ADHS umzugehen
ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, ist eine meist im Kindesalter auftretende Entwicklungsstörung. Sie kann je nach Ausprägung die Symptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität umfassen. Der Grad der Störung kann variieren, und dementsprechend auch der Leidensdruck der betroffenen Kinder und ihres Umfelds. Mit der richtigen therapeutischen Unterstützung können Kinder Strategien erlernen, mit ADHS umzugehen – je früher eine Diagnose gestellt wird, desto besser stehen diese Chancen.
Expertinnen und Experten unterstützen Betroffene und deren soziales Umfeld, mit therapeutischen Massnahmen, einer gesunden Ernährung oder Naturheilmitteln. Bei Mittel- oder Schwerbetroffenen ist heute eine medikamentöse Therapie gängige Praxis, zum Einsatz kommen Methylphenidat-haltige Präparate, das wohl bekannteste unter ihnen ist Ritalin. In der ärztlichen und therapeutischen Behandlung von ADHS steht heute eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten zur Verfügung.
Phytotherapie (Pflanzenheilkunde)
Zu den pflanzlichen Heilmitteln, die häufig bei ADHS eingesetzt werden, zählt Ginkgo biloba, der hilft, die intellektuellen Fähigkeiten des Gehirns zu verbessern und der zu einer Optimierung der neuronalen Zellstoffwechsel führt. Brahmi, auch als bacopa bekannt, ist ein wirksames Kraut zur Behandlung von psychischen Funktionen wie Gedächtnisspanne, Konzentrationsfähigkeit und zur Verbesserung geistiger Quotienten. Die Kamille wie auch der grüne Hafer entspannen das Nervensystem und fördern einen ruhigen Geist. Aus der Wurzel der Valerian-Pflanze wird ein Saft gewonnen, der in Tinkturen, Kapseln und Tabletten ebenfalls zur Behandlung von ADHS-Symptomen zum Einsatz kommt.
TCM und Akupunktur
Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist ADHS eine Störung des Geistes als Folge des Ungleichgewichts von Yin und Yang. Die TCM-Behandlung zielt unter anderem darauf ab, das Gleichgewicht von Yin und Yang wiederherzustellen. Zu den Methoden der TCM gehören neben der Verordnung von Arzneipflanzen die Akupunktur, Körpertherapien wie Tuina, Shiatsu und Qi Gong sowie wärmende Anwendungen.
Woher kommt ADHS und wie wird es diagnostiziert?
Ursache: Als Ursache für ADHS gelten genetische Faktoren und ein Ungleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter). Umwelteinflüsse können verstärkend wirken. In der Schweiz gibt es gemäss Schätzung der ADHS-Organisation elpos Schweiz rund 200’000 Menschen mit ADHS, rund fünf Prozent aller Kinder sind von ADHS-Symptomen betroffen.
Diagnose: Bei Verdacht auf ADHS sollte die Diagnose einer medizinischen Fachperson eingeholt werden. Die Symptome (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität) müssen bereits im Kindesalter auftreten, mindestens sechs Monate vorliegen und in zwei oder mehreren Lebensbereichen (Familie, Schule etc.) zu beobachten sein. Zudem dürfen sie nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden können.
Homöopathie
Durch die homöopathische Behandlung von ADHS sollen die Betroffenen ruhiger und konzentrierter werden. Allgemein geht man in der Homöopathie von einer Behandlungsdauer von fünf bis sechs Monaten aus. In einer Langzeitstudie der Universitätskinderklinik Bern zeigte die homöopathische Behandlung von 83 Kindern mit ADHS-Symptomen eine Verbesserung der ganzheitlichen visuellen Wahrnehmung, der Impulsivität und der geteilten Aufmerksamkeit. Der anschliessende Doppelblindversuch ergab, dass sich die Wirkung homöopathischer Arzneimittel klar von Placebo unterscheidet.
Ernährung
Generell sollte der Verzehr von süssen und kalten Fruchtsäften, zu viel Brot mit Weizen, Milchprodukten, Süssigkeiten, salzigen Lebensmitteln und Mikrowellenkost speziell bei Kindern vermieden werden. Verschiedene Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel und Farbstoffe gelten ebenfalls als ungesund und ADHS-fördernd. Eine ausgewogene Zusammensetzung jeder Mahlzeit bestehend aus Kohlehydraten, Gemüse, Eiweiss und etwas Fett ist besonders wichtig. Die Mahlzeiten dürfen weder stark gewürzt noch stark gesalzen oder gezuckert sein. Ebenso wenig sollte frittiert, sondern eher gedämpft, gedünstet oder in Öl gebraten werden.
Quellen und weiterführende Links:
- ADHS-Organisation elpos Schweiz
- Bundesamt für Gesundheit BAG: Gesundheit in Kindheit und Jugend
- Fachperson finden – Schweizerische Info- und Beratungsstelle für Erwachsene
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Erfahren Sie mehr über ADHS und Hypersensibilität in folgenden Millefolia-Beiträgen:
- ADHS bei Erwachsenen – Wenn der Zappel-Philipp erwachsen ist
- Hochsensibilität leben, Reizüberflutung vermeiden
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7 Kommentare
Als Fachtherapeut für ADHS freu ich mich sehr über Ihren reichhaltigen Beitrag. Ich hoffe, dass nebst Eltern auch viele Pädagogen und Sozialarbeiter diesen Artikel lesen. Gerne möchte ich noch ein paar Aspekte anmerken. Wie Sie richtig sagen, ist eine klinische Abklärung nötig, um die Beschwerdebild richtig zu erfassen oder zumindest eine Differentialdiagnose stellen zu können, wie zB ein Lerndefizit, eine bipolare Störung, Belastungsstörungen oder auch andere und oft ähnliche Formen der ASS (Autismus Spektrum Störung).
Eine positive ADHS Diagnose heisst im Wesentlichen, dass die betroffene Person eine sogenannte „atypische“ Normvariante des Nervensystems besitzt, in diesem Sinn anders denkt, fühlt und handelt: Ein eigener Persönlichkeitstypus, oft intuitiv, kreativ, authentisch, aber in der Norm des sozialen Lebens oft als störend oder falsch abgewertet, dadurch entstehen als Folge Funktions- und Entwicklungsstörungen. In Gesellschaften mit einer grösseren Verhaltensvielfalt fallen solche Personen auch weniger auf. Mit den Begriffen „ganz“ und „sanft“ in der Komplementär Therapie meint man also, diese Variante eines Nervensystems darin zu begleiten, möglichst ihr natürliches Funktionieren wiederzufinden und es gleichzeitig optimal in die Normgesellschaft zu integrieren. Hierbei kann eine individuell dosierte Medikation ausschlaggebend helfen, diese Balance als erfolgreicher Lernprozess anzugehen. Personen mit ADHS tragen als Erwachsen massgeblich zur gesellschaftlichen Biodiversität bei, daher ist es sinnvoll, deren authentischer Selbstwert als Kind so gut wie möglich zu fördern.
Vielen Dank für Ihren fundierten Fachkommentar. Es freut uns, dass Sie unsere Leserinnen und Leser an Ihren therapeutischen Erfahrungen mit ADHS teilhaben lassen. Wir wünschen Ihnen weiterhin gute Lektüre mit millefolia.ch!
Dazu kann ich Kinesiologie als eine weitere Ergänzung erwähnen und empfehlen.
Ich behandle Kinder und Erwachsene erfolgreich. Oft sind es Nahrungsmittelunverträglichkeiten, stille Entzündungen im Darm aber auch im Gehirn und nicht integrierte Frühkindliche Reflexe. Behandelt man dies gezielt, verschwinden oft ADHS – Symptome und Kinder wie auch Erwachsene können sich ruhig auf ein weiteres Ziel wie ihre Resilienz und Hochsensibilität widmen.
Praxis Kinesiologiy Pfister, Binstettenstrasse 15, 3012 Bern
Vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit Kinesiologie bei der Behandlung von ADHS mit der millefolia-Leserschaft teilen. Die Kinesiologie ist sicherlich ein gutes Beispiel für viele weitere komplementärmedizinische Methoden, die, professionell angewendet, bei ADHS etwas bewirken können.
Selber Betroffene und Naturheilpraktikerin TEN.
Was hier auf der Liste noch fehlt sind ordnungstherapeutische Massnahmen: dazu zählen psycho-soziale Intervention, Achtsamkeit, Körperwahrnehmung, Entspannungsverfahren (u.a. Bio-/Neurofeedback, Autogenes Training, PMR, Atemtraining) und manchmal tun auch Massagepraktiken und Fussreflexzonenbehandlungen einfach gut zum runter fahren.
Doch das wichtigste ist in meinen Augen: nicht ADHS soll dominieren, sondern der Mensch in seinem ganzen Wesen.
Aber ansonsten guter Artikel.
Vielen Dank für Ihren Hinweis, tatsächlich hält die Komplementärmedizin noch zahlreiche weitere Methoden bereit, um die Symptome von ADHS zu lindern und den Menschen in seiner Ganzheit zu unterstützen. Es freut uns, dass Ihnen die Lektüre gefallen hat.
Vielen Dank für Ihren Hinweis, tatsächlich hält die Komplementärmedizin noch zahlreiche weitere Methoden bereit, um die Symptome von ADHS zu lindern und den Menschen in seiner Ganzheit zu unterstützen. Es freut uns, dass Ihnen die Lektüre gefallen hat.