In der kalten Winterzeit sehnen wir uns nach Wärme und Geborgenheit, nach Nähe und Liebe. Die Nähe zu anderen Menschen ist nicht nur angenehm, sondern auch gesund: Berührungen tragen zur Stressreduktion bei und senken so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sie können Schmerzen lindern und Ängste lösen.
updated 19.12.23, red.
Berührungen aktivieren die Selbstheilungskräfte
Berührung ist wohl die älteste Heilmethode der Menschheitsgeschichte – instinktiv legen wir eine Hand auf eine schmerzende Stelle, ob bei uns selbst oder bei anderen. Berührungen können Fürsorge vermitteln, Geborgenheit – wenn sie nicht im Einvernehmen geschehen, können sie allerdings auch verstören und verletzen. «Berührungen sind bereits für Babys, aber auch im Erwachsenenleben zentral», sagt Prof. Martin Grunwald. Er betreibt ein Haptik-Forschungslabor an der Universität Leipzig und hat mehrere Bücher zum Thema Berührung verfasst.
Eine Massage aktiviert die Selbstheilungskräfte, reduziert Stress und stärkt das Immunsystem.
In seinem Labor konnte nachgewiesen werden, dass in Stresssituationen automatische Selbstberührungen bestimmte Funktionen erfüllen: Sie stabilisieren unser Kurzzeitgedächtnis und beruhigen unangenehme Emotionen. Gerade Selbstberührungen im Gesicht scheinen ganz tief in uns verankert zu sein, Embryos führen sie bereits im Mutterleib aus. Grunwalds Forschung zeigt unter anderem auch, dass eine Massage die Selbstheilungskräfte aktiviert, Stress reduziert und das Immunsystem stärkt. Berührungen können Ängste reduzieren, depressive Symptome lindern und sogar schmerzstillend wirken. Kurz: Berührungen – ob von uns selbst oder von anderen – helfen uns, im Gleichgewicht zu bleiben.
Berührung, eine Kernkompetenz der Komplementärmedizin
Im Verlaufe der Geschichte haben sich Therapien herausgebildet, die die heilvolle Wirkung von Körperberührung gezielt einsetzen. Dazu zählen in der Schweiz heute 22 Methoden, die mit Berührungs-, Bewegungs-, Atem- und Energiearbeit die Selbstregulationskräfte der Behandelten stärken. Claudia Pohl, Co-Leiterin der Geschäftsstelle der Organisation der Arbeitswelt KomplementärTherapie OdA KT, bezeichnet die Berührung als ein zentrales Element.
Mit Berührungen können wir die Selbstwahrnehmung anregen und die heilvolle Wirkung von Körperberührung gezielt einsetzen.
«Die Menschen kommen heute, in unserer digitalisierten Welt, immer weniger in Kontakt mit sich selbst, ihnen kommt das Körpergefühl abhanden. Mit Berührungen können wir die Selbstwahrnehmung anregen und so einen Prozess anstossen.» Claudia Pohl unterstreicht, dass bei komplementärtherapeutischen Behandlungen die Klienten eine aktive Rolle einnehmen und daher auch das Gespräch und die Anleitung zu Übungen wichtige Bestandteile der Therapie sind.
Die bekanntesten komplementärtherapeutischen Methoden
KomplementärTherapeutinnen und -Therapeuten sind Gesundheitsfachpersonen, ihre Behandlungen werden von den Zusatzversicherungen der meisten Krankenversicherer mitfinanziert.
APM-Therapie
In der Akupunktmassage-Therapie regen die Therapierenden die Meridiane ihrer Klientinnen und Klienten an. Dies führt zu einem Ausgleich zwischen den Energien im Körper. Energieflussstörungen und ihre Auswirkungen werden behoben und die Selbstheilungskräfte aktiviert.
Craniosacral-Therapie
Im Zentrum der Craniosacral-Therapie steht die tieferliegende Fähigkeit von Körper, Geist und Seele, sich selbst zu regenerieren und Gesundheit zu erhalten. Diesen Prozess der Selbstregulation unterstützen Craniosacral-Therapeutinnen und -Therapeuten mit ruhenden, sanften Berührungen.
Kinesiologie
Ein typisches Merkmal der Kinesiologie ist die Nutzung der Muskelspannung in Verbindung mit dem Therapieziel. Dadurch werden Veränderungen im Prozess sofort spürbar. Zusätzlich werden sanfte Techniken wie Berühren, Klopfen und Massieren von Akupunkturpunkten, Klänge und die bewusste Wahrnehmung von Atmung und Bewegungsabläufen eingesetzt.
Reflexzonentherapie
Die Reflexzonentherapie basiert auf dem Prinzip, dass jedes Organ, jede Struktur und jede Drüse des Körpers in bestimmten Reflexzonen oder Reflexpunkten im Körper gespiegelt wird. Diese Reflexzonen werden durch gezielten, angepassten Druck oder durch beruhigende Berührung behandelt.
Shiatsu
Shiatsu stammt aus Japan und bedeutet «Fingerdruck», die Therapieform ist in der fernöstlichen Philosophie und Gesundheitslehre verankert. Sie beruht unter anderem auf der Bearbeitung der Meridiane, um den Energiefluss anzuregen und auszugleichen und hilft mit gezielten, achtsamen Berührungen, Dehnungen und Rotationen, sich körperlich und geistig zu entspannen und eine tiefe innere Ruhe, Öffnung und Weite zu erfahren.
Entdecken Sie alle 22 Methoden der KomplementärTherapie.
Mit manuellen Therapien gegen Schmerzen
Die Forschung interessiert sich zunehmend für die heilsame Wirkung von Berührungen, das zeigt der starke Anstieg von angemeldeten klinischen Studien innerhalb der letzten Jahre. Einzelstudien zeigen, dass sich manuelle Anwendungen positiv auf das Schmerzempfinden, auf Blutwerte oder auf Ängste und Depressionen auswirken. Was nicht erstaunt: Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass das Bindungshormon Oxytocin nicht nur während der Geburt ausgeschüttet wird, um die Bindung zwischen Mutter und Kind zu intensivieren, sondern auch bei angenehm empfundenen Berührungen. Oxytocin ist der Kitt zwischen den Menschen, es führt dazu, dass wir uns zugehörig und umsorgt fühlen, was wiederum Stress und in vielen Fällen auch Schmerzen lindern kann. Manuelle Therapien, unabhängig von ihrer Methodik, wirken so auch präventiv gegen stressbedingte Krankheiten wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Diabetes.
Einzelstudien zeigen, dass sich manuelle Anwendungen positiv auf das Schmerzempfinden, auf Blutwerte oder auf Ängste und Depressionen auswirken.
Daneben können manuelle Therapien aber auch nachweislich von Schmerzen des Bewegungsapparats befreien und systemische Erkrankungen lindern, indem sie Knochen, Muskeln, Faszien, Organe und Energiebahnen mit speziellen Griffen bearbeiten. Neben den komplementärtherapeutischen Methoden sind hier auch die Physiotherapie, die Chiropraktik und die Osteopathie tätig, die auf Hochschulniveau unterrichtet und praktiziert werden. Leistungen der Physiotherapie und der Chiropraktik werden über die Grundversicherung abgerechnet.
Ohne Berührung kann keine Ärztin, kein Therapeut, keine Naturheilpraktikerin heilen – die Berührung verbindet also nicht nur medizinische Disziplinen, Therapien und Methoden, sondern ist selbst Ausgangs- und Berührungspunkt für eine echte integrative Medizin.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Liddle, Sarah D. und Victoria Pennick – «Interventionen zur Verhinderung und Behandlung von Schmerzen im unteren Rücken und Becken während der Schwangerschaft».Cochrane Database of Systematic Reviews, Nr. 9 (2015)
- PROSPERO International prospective register of systematic reviews
- ClinicalTrials.gov
- www.komplementär-therapie.ch (Aufruf Dezember 2023)
Haben Sie eigene Erfahrungen mit manuellen Therapien gemacht?
Was waren Ihre Empfindungen dabei, was hat Ihnen gutgetan und Beschwerden gelindert? Teilen Sie Ihre Erlebnisse mit den anderen Leserinnen und Lesern!
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Bilder: drazenzigic ― Freepik Premium / marinesea ― Freepik Premium / wavebreakmedia ― Freepik Premium
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2 Kommentare
Vielen Dank für diese Informationen, sie sind sehr interessant und wichtig.
Prüfen Sie bitte Ihre Webseite auf kaum bis nicht lesbare Abschnitte. Es ist schade, wenn z.B. gewisse Schaltflächen kaum zu entziffern sind. Weiss auf hellgrün, oder umgekehrt und hellgrau auf weiss kann ein nicht 100%ig gut sehender Mensch nicht lesen.
Besten Dank und freundliche Grüsse
Anne-Rose Ischer
Liebe Frau Ischer, Sie haben recht, die Website erfüllt nicht überall die Anforderungen an gute (ab-)Lesbarkeit. Wir haben das Problem ebenfalls erkannt und sind dabei, in den nächsten Wochen bei Gestaltung und Nutzbarkeit Verbesserungen vorzunehmen. Bleiben Sie dran!