Von Tanya Karrer
Interview mit Dr. med. Christoph Berger
Dr. med. Christoph Berger ist Vorstandsmitglied und Prüfungsexperte der OdA Komplementär-Therapie. Er erläutert das Potenzial von Berührungen in körperzentrierten Therapien für die Gesundheit.
Herr Berger, welche Rolle spielt die Berührung in komplementärtherapeutischen Methoden?
Sie ist eines der zentralen therapeutischen Mittel der KomplementärTherapie, neben Bewegungs-, Atem- und Energiearbeit.

Dr. med. Christoph Berger
Worin liegt das Potenzial von Berührung in den komplementärtherapeutischen Methoden?
Unabhängig von der Methode können Berührungen den Menschen in unmittelbaren, tiefen Kontakt mit sich selbst bringen, kognitive Barrieren umgehen und die Selbstwahrnehmung verfeinern. Dazu ist eine wahrnehmende, nicht wertende, «neutrale» Qualität von Berührung notwendig.
Mit Berührungen kommen Menschen in unmittelbaren, tiefen Kontakt mit sich selbst.
Es ist diese Qualität von Berührung, welche einen Königsweg für einen unmittelbaren, ganzheitlichen Zugang zu einem Menschen darstellt und als ein wichtiges Bindeglied allen Methoden der KomplementärTherapie gemeinsam ist. Um Berührung wirksam therapeutisch einsetzen zu können, bedarf es einer hohen Sensibilität, einer langen Schulung und einer grossen Selbsterfahrung.
Wie zeigt sich dies in der Praxis?
Beschwerdefreiheit ist natürlich ein vorrangiges Ziel von Klient*innen. Im Fokus der KomplementärTherapeut*innen steht nicht das Be-Handeln von Beschwerden, sondern vielmehr ein Prozess Richtung Bewusstwerdung, verbesserte Selbstregulation und Genesungskompetenz.
Hands on! Wie wirken Berührungen bei Schmerzen, Stress und Ängsten?
Berührungen wirken sich positiv auf die Gesundheit aus. Das bestätigt auch die Forschung. Körperzentrierte Methoden der Komplementärmedizin leisten einen wesentlichen Beitrag zu Gesundheit und Prävention.
Birgt Berührung auch Gefahren?
Wenn wir jemanden berühren, werden wir gleichzeitig auch selbst berührt. Das macht den komplementärtherapeutischen Prozess immer auch zu einem gemeinsamen Weg. Die Gefahr besteht, dass unbewusste eigene Anteile der Therapeut*innen sich vermischen, missdeutet werden und den Prozess stören.
Wenn wir jemanden berühren, werden wir gleichzeitig auch selbst berührt.
Es ist eine der grossen Herausforderungen für körperzentriert arbeitende Therapeut*innen, durch reflektierte Selbsterfahrung, Supervision und Weiterbildung die Fähigkeit zu entwickeln, das Eigene differenziert zu erkennen.
Welche Rolle spielen Komplementär-Therapeut* innen im schweizerischen Gesundheitssystem?
KomplementärTherapeut*innen sind Gesundheitsfachpersonen. Ihre Methoden finden in der Gesellschaft seit Jahrzehnten eine breite Akzeptanz. Seit 2015 können sie über eine Höhere Fachprüfung ein eidgenössisches Diplom erlangen. Damit hat sich die KomplementärTherapie auch offziell im schweizerischen Gesundheitssystem etabliert.
Stehen KomplementärTherapeut*innen in Konkurrenz zu Schul- oder Alternativmediziner*innen?
Nein, dank des eigenständigen therapeutischen Wegs sind sie im besten Sinne komplementär dazu. Ich wünsche mir deshalb für die Zukunft ein wachsendes gegenseitiges Verständnis und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit.
KomplementärTherapie – Qualifizierte Ausbildung
Die Organisation der Arbeitswelt KomplementärTherapie (OdA KT) führt im Auftrag des Bundes Höhere Fachprüfungen für KomplementärTherapeut*innen durch. Eine von der OdA KT akkreditierte Ausbildung dauert mindestens drei Jahre und umfasst neben der Methodenausbildung auch medizinische und psychologische Fächer sowie ein ausgedehntes Praktikum. Höhere Fachprüfungen können bisher in den folgenden 20 Methoden abgelegt werden:
- Akupressur Therapie
- APM (Akupunktmassage-Therapie)
- AlexanderTechnik
- Atemtherapie
- Ayurveda Therapie
- Bewegungs- und Körpertherapie
- Biodynamik
- Craniosacral Therapie
- Eutonie
- Faszientherapie
- Feldenkrais Therapie
- Heileurythmie
- Kinesiologie
- Polarity
- Rebalancing
- Reflexzonentherapie
- Rhythmische Massage Therapie
- Shiatsu
- Strukturelle Integration/Rolfing
- Yoga Therapie
Fotos: Unsplash, Bio-Medica Basel
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