Detektivischer Sucher im Arzneimittelschatz
Der Homöopath Stefan Sterchi hört und schaut zuerst genau hin, wenn seine Patienten erzählen. Auf der darauf folgenden akribischen Suche erweitert er den Schatz homoöpathischer Arzneimittel ‒ mit verblüffendem Erfolg.
Wer etwas erfahren will über Stefan Sterchi, langjähriger Homöopath in Zug, und seine Heilmethode, braucht ihm nur zuzuschauen, wenn er spricht. Denn da sind diese feingliedrigen Hände, die in der Luft vor ihm Bogen beschreiben oder Kreise, öffnende Pforten, schützende Hüllen. «Wenn etwas bei einem Patienten ganz wichtig ist und nicht mehr aussprechbar für ihn, dann kommen die Hände ins Spiel, und das sind die wichtigsten Momente bei der Aufnahme der Krankengeschichte», sagt der 50-Jährige. So nimmt denn auch eine Kamera im Behandlungszimmer alles auf. «Ich kann nicht gleichzeitig mit einem Patienten sprechen, aufschreiben, mit welchen Worten genau er seine Beschwerden beschreibt, und dazu auch noch auf seine Gestik achten», sagt Sterchi.
Differenzierteres Verständnis
Sterchi geht wo möglich nach der sogenannten Empfindungsmethode vor, einer Weiterentwicklung der klassischen Homöopathie der letzten 20 Jahre, die massgeblich geprägt wurde von dem indischen Homöopathen Dr. Rajan Sankaran. Schon immer war es das Ziel einer homöopathischen Behandlung den – wie Sterchi es nennt – «allem zugrunde liegenden Zustand» des Patienten zu erkennen und das entsprechende Mittel zu verabreichen. Neu ist nun aber laut Sterchi: «Mit der Empfindungsmethode wird es möglich, die Erfahrungsebenen des Patienten sowie die Ähnlichkeiten und feinen Unterschiede der Mittel innerhalb der Arzneimittelfamilien differenzierter zu verstehen.»
Die Homöopathie verfüge über einen Schatz von mindestens 2500 Arzneimitteln. Oft würden aber lediglich höchstens 200 von ihnen eingesetzt, da diese gut geprüft seien und sich bei klaren Symptomen über die letzten zwei Jahrhunderte hin bewährt hätten. Bei einigen Patienten wirkten diese auch sehr gut – bei anderen dagegen nicht. Da hilft es gemäss Sterchi nur, weiter zu differenzieren und Mittel einzubeziehen, die zwar sehr ähnlich sind, aber eine andere Dynamik aufweisen – homöopathisch gesagt, der gleichen Arzneimittelfamilie entstammen.
Verblüffende Wirkung
Es geht darum, in einem ersten Schritt das Wesen des Patienten und sein Erleben der Krankheit zu erfassen», sagt Sterchi. Im zweiten Schritt suche er das Mittel, das dem Patienten und seiner Krankheit entspreche. Die systematische Homöopathie unterscheidet tierische, pflanzliche und mineralische Mittel. Die genaue Wortwahl des Patienten in der Anamnese bringt Sterchi oft auf die Fährte der Familie. Eine Patientin, die ein tierisches Mittel braucht, sagt etwa, sie sei krank, weil jemand ihr das antut, während ein Patient, für den ein mineralisches Mittel geeignet ist, sagen könnte, er sei krank, weil er nicht stark genug sei – «er sucht den Fehler in seiner eigenen Struktur», erklärt Sterchi Parallel zu diesem Verfahren nutzt Sterchi nach wie vor die sogenannte Repertorisation: Er zieht dazu Bücher hinzu, in denen alle möglichen Symptome aufgelistet sind – oder den Computer mit einem Repertorisationsprogramm. Und manchmal, wenn alle Erforschungen noch nicht zu einem klaren Ergebnis führen, wandert er zum Nachdenken auf den Zugerberg.
Beachtliche Erfolgsquote
Die Fälle, in denen er bei der Wahl des Mittels einen Volltreffer gelandet habe, hätten sich vervielfacht, seit er mit der Empfindungsmethode arbeite, sagt der engagierte Homöopath. Indes: «Rein nach der Empfindungsmethode vorzugehen, wäre katastrophal. Vielmehr ist sie ein Aspekt im Verständnis des Patienten.» Es gebe immer Patienten, die sich nicht so weit einlassen wollten, und auch diesen könne er gute Mittel verabreichen. Sterchis Verhältnis zur Schulmedizin ist gut, durchaus schickt er Patienten auch zum Arzt, wie er sagt. In der ersten Sitzung verrechnet Stefan Sterchi neben der Zeit für die Anamnese 75 Minuten für die Auswertung – auch wenn sie länger dauert. Es ist klar: Reich werden kann man nicht mit der Homöopathie. Dies alles könne er nur durchziehen, weil seine Frau auch arbeite und sie die Betreuung der beiden Söhne, 5 und 8 Jahre alt, aufteilten, sagt Sterchi. Reich werden nicht – aber zufrieden: «Ich möchte mit niemandem tauschen.»
Stefan Sterchi
Nach der Matur, 1982, war Stefan Sterchi erst einmal auf der Suche: Alternative Ausbildungsmöglichkeiten zu einem Medizinstudium gab es in der Schweiz noch nicht. So absolvierte er die 3-jährige Ausbildung zum Homöopathen an der Norddeutschen Heilpraktikerfachschule in Hamburg, bildete sich, zurück in der Schweiz, bei verschiedenen bekannten Homöopathen weiter und besuchte Vorlesungen in Psychologie. 1997 eröffnete Sterchi eine eigene Praxis. Anfang 1990er-Jahre war er Mitbegründer des Verbandes Klassischer Homöopathen VKH (heute HVS). Der HVS engagiert sich in der zurzeit laufenden Berufsreglementierung nichtärztlicher Alternativmedizin.
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