Eltern lieben Wickel
In der Klinik für Pädiatrie am HFR Freiburg werden Kinder erfolgreich unter Einbezug der anthroposophischen Medizin behandelt. Das dortige Zentrum für integrative Pädiatrie ist schweizweit einzigartig und zeigt beispielhaft, wie sich Schul- und Komplementärmedizin ergänzen können.
Vor dem Inkubator auf der Neonatologie ertönen sanfte Harfenklänge. «Musik hat bei den Frühgeborenen eine Vielzahl positiver Effekte», erklärt Dr. Benedikt
Huber, leitender Arzt der Klinik für Pädiatrie. So beruhige sich der Herzrhythmus, die Atmung stabilisiere sich, die Verdauungsleistung werde besser – und obendrein wirke sie sich vermutlich positiv auf die spätere Entwicklung des Kindes aus. Aus diesem Grund werde Musiktherapie immer häufiger eingesetzt auf den Frühgeborenenabteilungen – «aber mit Sicherheit sind wir die erste Klinik in der Schweiz, die generell versucht, komplementärmedizinische Methoden in die Behandlung von Neugeborenen zu integrieren», fügt der 39-jährige Münchner an, der neben Facharzttiteln in Pädiatrie und Neonatologie auch die volle Ausbildung zum Arzt für anthroposophische Medizin absolviert hat.
Mehr Therapien möglich
Ihm ist es zu verdanken, dass das seit Anfang 2015 bestehende Projekt zur komplementären und integrativen Medizin in der Pädiatrie weiter ausgebaut wird und dass das Kantonsspital Freiburg als erste Schweizer Klinik eine integrative Kindermedizin anbietet. Das therapeutische Spektrum umfasst aktuell neben pflanzlichen, homöopathischen und spezifisch-anthroposophischen Arzneimitteln vor allem äussere Anwendungen wie Wickel, Auflagen und Einreibungen, mit denen die konventionellen Therapien ergänzt und erweitert werden. Gerade die äusseren Anwendungen werden von den Eltern besonders geschätzt, da sie sich auch ideal für die Behandlung der Kinder zu Hause eignen.
Damit sollen die Selbstheilungskräfte des Organismus angeregt werden. Es gehe um eine Erweiterung des herkömmlichen Therapiespektrums, sagt Huber, und der integrative Ansatz ist für ihn dabei ganz zentral: Durch das Nebeneinander der verschiedenen Methoden erhält der Arzt mehr Behandlungsmöglichkeiten. Der Einsatz von komplementärmedizinischen Therapien und Arzneien kann den Verlauf der Krankheit günstig beeinflussen, einen Spitalaufenthalt verkürzen und die negativen Begleiterscheinungen der schulmedizinischen Medikamente lindern – oder letztere sogar überflüssig machen.
Weniger Antibiotika
Ärzte griffen viel zu schnell zu einem Antibiotikum, sagt Huber – gerade bei den bei Kindern häufig vorkommenden Atemwegserkrankungen. Dabei seien bei diesen oft Viren die Auslöser, gegen die Antibiotika gänzlich wirkungslos seien. Huber zeigt aber Verständnis für die Kinderärzte: «Wenn ein Kind einfach nicht zu husten aufhört, versucht ein Arzt alles, um ihm Linderung zu verschaffen – fehlen dem Arzt dabei die Kenntnisse der Komplementärmedizin, ist er in seinen therapeutischen Möglichkeiten schnell eingeschränkt.» Ein weiteres Beispiel, bei dem komplementärmedizinische Arzneien hilfreich sein können, sei Asthma, immerhin die häufigste chronische Krankheit bei Kindern weltweit.
Kein einziger Franken zusätzlich
Das Freiburger Zentrum für integrative Pädiatrie ist eine absolute Pioniereinrichtung – und dies, ohne zu zusätzlichen Kosten zu führen: Für die neue Abteilung wurde keine einzige neue Stelle geschaffen, sondern das bestehende Personal wurde in den anthroposophischen Anwendungen geschult. Das Zentrum ist voll in den Betrieb der Klinik für Pädiatrie integriert. «Ohne jegliche Kostenfolge haben wir einen attraktiven Mehrwert für die ganze Gesellschaft geschaffen», sagt der sonst so bescheidene Huber mit sichtlichem Stolz.
Anfänglich nur respiratorische Erkrankungen
Dies alles ging aber nur mit einer Beschränkung des Angebots: In einer 18-monatigen Pilotphase konzentrierte man sich auf die integrative Behandlung von respiratorischen Erkrankungen wie Bronchitis, Asthma oder Lungenentzündung. Die Schulung forderte allen Beteiligten viel ab. Huber: «Einem Kind mit Lungenentzündung einen Wickel richtig anzulegen, erfordert viel Wissen und ist zeitaufwendiger als ihm einfach ein Antibiotikum zu verabreichen. Unermüdlich engagiert sich Huber daher für Aus- und Weiterbildungen. Gerne würde Huber mehr Zeit verwenden für die Forschung, und er verortet hier auch grossen Nachholbedarf: Ganz im Gegensatz zu den USA seien in Europa viel zu wenig Forschungsgelder frei für die integrative Medizin, und das betrifft, wie auch in der konventionellen Medizin, besonders die Pädiatrie. Die Leidenschaft ist Benedikt Huber mit jedem Wort anzumerken – trotz seiner schlichten, unprätentiösen Art. Darauf angesprochen, sagt er nur: «Heute braucht es eben zum Engagement einen gehörigen Idealismus – sonst kommt überhaupt nichts zustande.»
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