Von Luzia Frei
Depressionen, psychische Erkrankungen und der Konsum von Suchtmitteln haben mit der Corona Pandemie stark zugenommen. Die Komplementärmedizin bietet vielfältige Möglichkeiten zur Stärkung der psychischen Gesundheit. FMH Präsidentin Dr. med Yvonne Gilli, Klinikdirektor Dr. med. Hanspeter Flury und Naturheilpraktiker Louis Hutter haben an einer Dakomed Publikumsveranstaltung fachkundig über Therapieansätze, Angebote und mögliche Hilfestellungen für betroffene Menschen aufgeklärt.
«Die Pandemie zerrt an den Kräften aller Generationen», betonte Nationalrätin und Präsidentin des Dachverbands Komplementärmedizin Edith Graf-Litscher zu Beginn der Veranstaltung, die der Dachverband Komplementärmedizin am 22. April 2021 online durchführte. Die mit Covid-19 einhergehenden Herausforderungen können psychisch sehr belastend werden. Am Anlass referierten drei Fachpersonen über Ansätze und Methoden der Komplementärmedizin, die sich zur Unterstützung der psychischen Gesundheit besonders eignen.
Video zur Veranstaltung
Die Online-Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann auf YouTube nachträglich angeschaut werden.
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Mit Selbstregulation die psychische Gesundheit unterstützen
Dr. med. Yvonne Gilli ist Präsidentin der FMH und besitzt einen Fähigkeitsausweis in Homöopathie und TCM. Aus statistischen Analysen der Ärzteschaft weiss sie: «Während der Pandemie nehmen aufgrund von psychischen Erkrankungen mehr Menschen Hilfe in Anspruch.» Denn die pandemiebedingten Massnahmen lösen bei vielen Menschen Stress und Unsicherheiten aus. «Diese Stressfaktoren können viele Menschen nicht einordnen», so Gilli. In diesem Zusammenhang gewinnt der Begriff «Resilienz» an Bedeutung.
Je sicherer man sich fühlt, desto resilienter wird man.
Was kann ich machen, um gesund zu bleiben? Dr. med. Yvonne Gilli erklärt, dass die Fähigkeit, nicht nur den eigenen Körper und die Befindlichkeiten wahrzunehmen, sondern auch mitgestalten zu können, der Weg aus der Unsicherheit sein kann. Dadurch gelingt es, einen eigenen «Raum» zu schaffen, in dem man Sicherheit erlangt. Je sicherer man sich fühlt, desto resilienter wird man, führt Gilli aus. Doch nicht alle Menschen schaffen diese Selbstregulation und benötigen Unterstützung von Fachpersonen, um die psychische Gesundheit wiederherzustellen.
Psychische Gesundheit dank Naturreizen
Aus Sicht der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde (TEN) stellt die Natur die Selbstregulationskräfte zur Verfügung. Naturheilpraktiker Louis Hutter betont: «Je höher die Reizspanne ist, desto mehr positive und negative Einflüsse kann ein Mensch mit seinen Selbstregulationskräften ertragen. Je mehr Reize ertragen werden können, desto höher ist auch die Resilienz.» Eine naturnahe Lebensweise kann zur Resilienzförderung beitragen, denn Naturreize stärken und helfen dabei, mit Stressfaktoren klarzukommen.
Eine naturnahe Lebensweise kann zur Resilienzförderung beitragen, denn Naturreize stärken und helfen dabei, mit Stressfaktoren klarzukommen.
Als Resilienz fördernde Massnahme kann der Körper den Natureinflüssen und somit leichtem Stress ausgesetzt werden. Dazu eignen sich beispielsweise Saunagänge, Fasten, Wasseranwendungen oder Klimatherapien. Zu beachten ist dabei die hippokratische Aussage «Alles im Mass, nichts im Unmass». Auch Pflanzen können die Resilienz fördern, speziell sogenannte adaptogene Pflanzen (solche, die sehr anpassungsfähig sind) oder Gemmomazerate (Knospenauszüge). Letztere wirken beruhigend oder können als Traumamittel zur Bewältigung von unangenehmen Ereignissen beitragen.
Menschen mit psychischer Belastung profitieren von der Vielfalt der Komplementärmedizin
Dr. med. Hanspeter Flury, Chefarzt und Direktor der Klinik Schützen Rheinfelden, sieht die Komplementärmedizin sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Psychotherapie als grosse Chance. In seiner Klinik integriert er auf Basis der Schulmedizin komplementärmedizinische Ansätze. Dazu zählen Methoden der anthroposophisch erweiterten Medizin, der Homöopathie oder Phytotherapie sowie die Aromapflege, Kunst- und Musiktherapie oder Massagen. Ebenso spielen in der Klinik Schützen Rheinfelden naturbezogene Ansätze eine Rolle. Diese können helfen, die Sinne für die Umgebung zu öffnen. Sie wirken sich positiv auf den Behandlungsverlauf aus.
Es ist jedoch nicht einfach, spezifische Fachkräfte zu finden, welche sowohl in der Schul- als auch in der Komplementärmedizin breit ausgebildet sind.
Flury erklärt, dass Komplementärmedizin bei psychischen Erkrankungen vor allem über die Förderung von Entspannung zur Symptomreduktion beiträgt. «Komplementärmedizin wirkt als ganzheitliche Ressourcenaktivierung. Komplementäre Therapieformen schaffen Kräfte.»
Die Akzeptanz und Nachfrage nach komplementärmedizinischen Ansätzen bei Patientinnen und Patienten ist sehr gross, so Dr. med. Flury. «Es ist jedoch nicht einfach, spezifische Fachkräfte zu finden, welche sowohl in der Schul- als auch in der Komplementärmedizin breit ausgebildet sind.» Zudem sei es eine grosse Herausforderung, die komplementärmedizinischen Therapien, welche stationär Wirkung zeigten, auch ambulant wirkungsvoll weiterzuführen. Es ist deshalb wichtig, dass das Behandlungskonzept von Kliniken auf mehreren Ansätzen basiert, um Betroffenen eine bestmögliche Therapievielfalt zur Förderung der psychischen Gesundheit anzubieten.
Traditionelles Wissen muss sichtbar gemacht werden
Um psychische Erkrankungen zu behandeln, kann eine grosse Bandbreite an Behandlungsmöglichkeiten sehr effizient sein. Man soll sich nicht davor scheuen, Methoden miteinander zu kombinieren, fasst Dr. med. Gisela Etter zusammen, welche die Onlineveranstaltung moderiert hat. Eine Mehrheit von Betroffenen wünscht sich eine integrative Medizin, und diese gilt es weiterhin zu fördern.
Es braucht sowohl die Schul- und die Komplementärmedizin, um zur Genesung und Resilienz beizutragen.
Nationalrätin Edith Graf-Litscher bestärkt diese Aussage. «Die Integration ist zentral, Komplementärmedizin bedeutet integrative Arbeit.» Es braucht sowohl die Schul- und die Komplementärmedizin, um zur Genesung und Resilienz beizutragen. Als Dakomed Präsidentin ist es Edith Graf-Litscher ein besonderes Anliegen, dass die Komplementärmedizin auch während der Pandemie verstärkt berücksichtigt wird. Sie schliesst die Veranstaltung mit dem Appell: «Das traditionelle Wissen der Medizin muss sichtbar gemacht werden. Das Gute liegt so nah, wir müssen es einfach nutzen, um unsere Resilienz zu stärken.»
Ausgewählte Fragestellungen aus der Online Veranstaltung
Welchen Stellenwert haben Psychopharmaka in Kombination mit Komplementärmedizin?
Je nach klinischer Situation kann eine Kombination sinnvoll sein. Das eine schliesst das andere nicht aus.
Wie kann bei Kindern die Achtsamkeit gefördert und die Resilienz gestärkt werden?
Kinder dürfen spielerisch Achtsamkeit erfahren zum Beispiel beim Barfusslaufen in einem Bachbett mit angenehm runden Steinen, beim Lauschen von Vogelstimmen, beim verblindeten Tasten von verschiedenen Oberflächen, etc.
Können Impfungen die Resilienz stärken?
Impfungen können die Resilienz stärken, in dem sie Menschen Sicherheit vermitteln.
Bilder: unsplash, zvg
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