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Corona-Virus: Wir sind nicht «die Anderen»

von Redaktion Millefolia

Von Isabelle Zimmermann und Walter Stüdeli

Interview mit Dr. med. Lukas Schöb, Ärztlicher Leiter der Klinik Arlesheim, FMH Innere Medizin

Wie erlebt die Klinik Arlesheim die Zeit der Corona-Pandemie?
Dr. med. Lukas Schöb:
Die Klinik Arlesheim ist ein Spital der Grundversorgung im Kanton Baselland mit einem integrativmedizinischen Konzept. Der kantonale Krisenstab hat die Klinik um Hilfe angefragt bei der Bewältigung der Corona-Ausbreitung. In sehr guter Zusammenarbeit mit den Behörden und den Kolleginnen und Kollegen des Corona-Referenz-Spitals auf dem Bruderholz haben wir in Kürze ein Konzept erstellt für bis zu zwei Isolierstationen mit jeweils 25 Betten in unserer Klinik.

Patientinnen und Patienten, welche eine Beatmung bewusst ablehnen, können bei uns behandelt werden.

Es waren und sind sehr spannende Wochen der Zusammenarbeit. Es zeigt sich, dass wir nicht «die Anderen» sind. Wir sind alle bemüht, die beste Versorgung für die Patientinnen und Patienten zur Verfügung zu stellen. Durch die Infrastruktur bedingt werden die beatmeten Patienten, oder solche, deren Zustand sich rasch verschlechtern könnte, klar ins Referenzspital geleitet. Patientinnen und Patienten, welche eine Beatmung bewusst ablehnen oder keine benötigen, können bei uns behandelt werden.
Es freut mich sehr, dass sich unsere Mitarbeitenden voll motiviert in die Aufgabe einer solchen Covid-19-Station stellten. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Epidemie in der Schweiz weiter verhält – auf alle Fälle sind wir gemeinsam gerüstet für die Herausforderungen.

Welchen Beitrag kann Komplementärmedizin bei stationären Covid-Patienten leisten?
Die Krankheit ist neu, es gibt keine etablierten Konzepte und wenig konkrete Erfahrung dazu – weder in der Schulmedizin noch bezüglich integrativer Ansätze. Zunächst galt es, ein Grundkonzept für den Umgang mit überdurchschnittlich vielen zu isolierenden Erkrankten zu erarbeiten, welches dann flexibel genug ist für notwendige Anpassungen, die sich aus der jeweiligen Situation ergeben.

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© Photo Christian Jaeggi

Die Einschätzung eines integrativen Ansatzes? Ich denke, dass wir den Ansatz nicht überschätzen sollten – wir können und wollen keine Heilsversprechen abgeben. Jedoch sollten wir das Potential des integrativen Ansatzes auch nicht unterschätzen – gerade in der aktuellen Lage ist es von Vorteil, dass wir jahrzehntelange Erfahrungen im Umgang mit fieberhaften Erkrankungen und Lungenentzündungen haben.

Inwiefern helfen die komplementärmedizinischen Erfahrungen?
Als allgemein etablierter Ansatz gilt, dass bei den an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten möglichst keine Fiebersenkung vorgenommen werden soll. Eine solche Umsetzung ist in unserem Setting einfach, weil wir das Fieber nicht als Feind sehen, sondern als Mittel zur Immunstimulanz. Konkret heisst dies, dass wir schauen, ob es sich um ein «gesundes» Fieber handelt – der Patient ist warm bis in die Peripherie, der Kreislauf ist gefordert jedoch nicht überfordert, das Fieber zeigt eine gute Schwingung über den Tag. Das Ganze wird begleitet mit phasengerechten äusseren Anwendungen, zum Teil kühlend, zum Teil den Kreislauf unterstützend.

Als allgemein etablierter Ansatz gilt, dass bei den an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten möglichst keine Fiebersenkung vorgenommen werden soll.

Weiter wird das Mikrobiom berücksichtigt mit zurückhaltendem Einsatz von Antibiotika, was ja mittlerweile in der Schulmedizin auch etabliert ist.  Zu Beginn der Krankheitsphase und auch zur Prophylaxe setzen wir die mind-body-medicine ein – diese führt zur Stärkung des Immunsystems, wie aktuelle Forschungsresultate in der Neuro-Immunobiologie zeigen. In der mind-body-medicine werden bewusste Bewegungen, sei es aktiv oder passiv, durchgeführt. Dabei sind positive seelische Effekte unmittelbar, z.T. sogar frappant, klinisch bemerkbar.

In einem salutogenetisch-integrativen Behandlungskonzept ist der aktive Einbezug des Patienten mit einer grundsätzlich zuversichtlichen und hoffnungsvollen Haltung zentral. © Christian Jaeggi, Arlesheim.

Was ist gemeint mit den Resultaten der Neuro-Immunobiologie?
Es ist bekannt, dass Angst, Unsicherheit und Stress das Immunsystem schwächen. In einem salutogenetisch-integrativen Behandlungskonzept ist der aktive Einbezug des Patienten mit einer grundsätzlich zuversichtlichen und hoffnungsvollen Haltung zentral. Dies meint nicht, dass falsche Heilsversprechungen gemacht oder ein «Geschäft mit der Hoffnung» gemacht werden.

Es geht um eine offene Information auf Augenhöhe.

Es geht um eine offene Information auf Augenhöhe. Auch diese Aspekte sind in den letzten Jahrzehnten allgemein anerkannt in der Medizin. Zentral erscheint mir, dass das Beste für die Behandlung der Patientinnen und Patienten eingesetzt wird – unabhängig davon, wie es genannt wird.

Wie kann das Wissen von natürlichen Heilmethoden besser verbreitet werden?

Mladenka Wolf, Ezra Goldstein, Klinik Arlesheim, Senfwickel, Thymianauflage, Wickel, Wärme, Haut, Hände, Klinik, Spital, Privatspital, Pflege, Arzt, Therapie, Patient, Krank, Photo © Christian Jaeggi, Arlesheim, 9. Mai, 2018

Herstellung eines Wickels. © Christian Jaeggi

Es ist aus den oben genannten Stichwörtern ersichtlich, dass Ansätze der Komplementärmedizin zunehmend evidenzbasiert resp. Mainstream geworden sind oder werden: Umgang mit Fieber, Berücksichtigen des Mikrobioms und Erkenntnisse der Neuro-Immunobiologie. Es ist davon auszugehen, dass mit entsprechender Forschung aus dem Ansatz der Salutogenese noch viel weiteres Fruchtbares entstehen und zu einer grösseren Breitenwirkung kommen kann. Sinnvollerweise spannen hier Universitätsspitäler und Einrichtungen mit komplementärmedizinischen Erfahrungen zusammen.

Sinnvollerweise spannen hier Universitätsspitäler und Einrichtungen mit komplementärmedizinischen Erfahrungen zusammen.

Ganz wichtig ist mir zu betonen, dass wir unsere Arbeiten prospektiv innerhalb eines wissenschaftlichen Protokolls untersuchen wollen. Es kann nicht genügend betont werden, dass wir in Bezug auf die Forschung Nachholbedarf haben. Know-how, motivierte Talente, Lehrstühle, professionelle Vernetzung und einwilligende Patientinnen und Patienten, stehen bereit. Es fehlt aktuell in krasser Ausprägung an der Finanzierung. Professionelle Forschung in dieser Art ist sehr schnell sehr teuer. Es braucht dazu eine Berücksichtigung bei den staatlichen Unterstützungen. Anders ist es nicht möglich, das Innovationspotential der verschiedenen Methoden nutzbar zu machen für die Bevölkerung.

Wir schliessen uns deshalb der eindringlichen und entschiedenen Forderung des Dakomed nach Unterstützung von Forschung an.

Dr. med. Lukas Schöb

Die Klinik AG Arlesheim ist ein Spital mit öffentlichem Leistungsauftrag (Spitalliste), eingebunden in die kantonale bzw. regionale Versorgungsplanung und in privater Trägerschaft mit den Angeboten Innere Medizin, Onkologie und Psychiatrie mit ca. 500 Mitarbeitenden. Es ist die grösste und älteste Klinik der Schweiz mit einem integrativmedizinischen Gesamtkonzept.

Weitere Informationen finden Sie unter www.klinik-arlesheim.ch

Fotos: © Christian Jaeggi, zvg.

 


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