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Corona-Virus und TCM: Wo steht die aktuelle Forschung?

von Redaktion Millefolia
TCM bei Corona-Virus

Von Tanya Karrer

In China werden Corona-Patienten offiziell auch mittels TCM (Traditioneller Chinesischer Medizin) behandelt. Die chinesische Regierung fördert nun die Forschung dazu, womit diese alternative Medizin unverhofft ihr Potenzial unter Beweis stellen kann.

Qibo begründete zusammen mit Huang Di das Huang Di Nei Jing.

Seit das neuartige Coronavirus, auch SARS-CoV-2 genannt, die Welt in Atem hält, steht die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) im Fokus der Forschung. Neben der westlich orientierten Schulmedizin geniesst die Jahrtausende alte TCM-Lehre in China einen hohen Stellenwert. Als die Zahl der Corona-Infizierten anfangs 2020 explodierte, nahm China traditionelle chinesische Rezepte und Anwendungen, zusätzlich zu den schulmedizinischen, in die nationalen COVID-19-Behandlungsrichtlinien auf.

67 bis 85 Prozent der chinesischen Corona-Patienten wurden integrativ behandelt.

Seite an Seite behandeln seither Medizinerinnen und Mediziner beider Fachrichtungen Corona-Patienten. Zwischen 67 bis 85 Prozent – die Zahlen variieren – der positiv getesteten Patienten wurden in China unterdessen integrativ behandelt. Viele sind genesen. Ist dies die Chance für die TCM, in Sachen Anerkennung auch international zur Schulmedizin aufzurücken?

Forschungsprogramm zur Wirksamkeit von TCM bei COVID-19

Die Erfolge der TCM werden erfahrungsmedizinisch seit mehreren tausend Jahren bestätigt. Bezüglich wissenschaftlicher Evidenz besteht hingegen immer noch grosser Forschungsbedarf. Denn die Durchführung von belastbaren Studien ist zeitintensiv und teuer. Die TCM kennt und kombiniert etwa 5000 Heilpflanzen und -substanzen. Ihre Wirkungsweisen zu untersuchen und die Vielzahl von Behandlungen wie Akupunktur oder Moxibustion in das Korsett der evidenzbasierten Forschung zu zwängen, ist eine Herkulesaufgabe.

Die TCM kennt und kombiniert etwa 5000 Heilpflanzen.

Die hohen Fallzahlen der Corona-Pandemie bergen nun aber paradoxerweise genau diese Chance: Daten zu Behandlungen und ihrer Wirksamkeit zu sammeln und statistisch auszuwerten. Das chinesische Ministerium für Wissenschaft und Technologie hat hierfür im Februar 2020 ein Forschungsprogramm lanciert. Randomisierte klinische Studien zur Traditionellen Chinesischen Medizin bei COVID-19 sollen zeigen, was in ihr steckt.

Nicht alle Rezepturen sind harmlos

Zungendiagnose

Zungendiagnose bei einer Wind-Hitze-Erkrankung.

Die Behandlungsleitlinien der TCM beim Coronavirus basieren auf dem Buch Huang Di Nei Jing, das im 1. Jahrhundert v. Chr. entstand, und in welchem eine übertragbare Erkrankung der Atemwege beschrieben wird, vergleichbar zu Corona. COVID-19 gilt als eine Feuchtigkeitserkrankung, ausgelöst durch den feuchten chinesischen Winter 2019/2020.

COVID-19 gilt als eine Feuchtigkeitskrankheit, ausgelöst durch den feuchten chinesischen Winter 2019/2020.

Insbesondere die Behandlung mit Heilkräutern zielt folglich darauf ab, die angesammelte Feuchtigkeit im Körper aufzulösen. Die Guidelines aus China empfehlen, je nach Krankheitsstatus, entsprechende Rezepturen. Dass diese nicht immer harmlos sind, zeigt eine erst als Vorabzug verfügbare Studie. Von 25 analysierten Rezepten können die Autoren sieben empfehlen, von neun raten sie ab. Sie würden zu viele Nebenwirkungen hervorrufen.

Potenzial der TCM und ihrer Heilpflanzen

Der Grundtenor der kürzlich veröffentlichten Arbeiten jedoch ist positiv, bisweilen sogar euphorisch: Die integrative Behandlung lindere die Symptome, die Krankheitsdauer verkürze sich. Noch ist bei der Interpretation der Resultate Zurückhaltung geboten, die Versuchsanordnungen sind nicht immer klar erkennbar. Schliesslich waren die Mediziner vorwiegend mit der Behandlung von Patienten gefordert. Nach dem Abflachen der Infektionskurve können sie nun aber Studiendesigns entwerfen und verwertbare Daten erheben. In den Tausenden der TCM bekannten Heilpflanzen und Rezepturen steckt noch grosses Potenzial. Erst wenige wurden chemisch-pharmazeutisch analysiert, sie könnten einen wertvollen Pool für neue Wirkstoffe und Medikamente bilden. Die Süssholzwurzel, ein beliebtes chinesisches Heilkraut, wurde bereits zu SARS-Zeiten als wertvolles Hustenmittel bestätigt.
Blicken wir also weiterhin mit Spannung nach Osten, in Erwartung neuer Erkenntnisse.

Aktuelle Publikationen über TCM und COVID-19


Glossar:

  • Evidenzbasierte Medizin: Orientiert sich an klinischen Studien und Übersichtsarbeiten, um eine möglichst präzise Aussage zur Wirksamkeit und Sicherheit von medizinischen Anwendungen machen zu können.
  • Moxibustion: Heilverfahren der TCM, bei welchem Energiepunkte des Körpers erwärmt werden.
  • Randomisierte kontrollierte Studien: Ein Studiendesign mit hoher Evidenz. Eine Anwendung wird mit einer Versuchsgruppe und einer Kontrollgruppe getestet. Die Gruppen werden nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt. Die Studienteilnehmenden wissen nicht, welcher Gruppe sie angehören.

Literatur:

  • Ho LTF, Chan KKH, Chung VCH, Leung TH. Highlights of traditional Chinese medicine frontline expert advice in the China national guideline for COVID-19. Eur J Integr Med. 2020 Apr 3;101116.
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  • Wang Z, Li L, Yan J, Yao Y. Evaluating the Traditional Chinese Medicine (TCM) Officially Recommended in China for COVID-19 Using Ontology-Based Side-Effect Prediction Framework (OSPF) and Deep Learning. 2020 Feb 17 [cited 2020 Apr 16]; Available from: https://www.preprints.org/manuscript/202002.0230/v1
  • Huan-Tian Cui Y-TL, Huan-Tian Cui Y-TL. Traditional Chinese medicine for treatment of coronavirus disease 2019: a review. Traditional Medicine Research. 2020 Feb 9;5(2):65–73.
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  • Luo H, Tang Q, Shang Y, Liang S, Yang M, Robinson N, et al. Can Chinese Medicine Be Used for Prevention of Corona Virus Disease 2019 (COVID-19)? A Review of Historical Classics, Research Evidence and Current Prevention Programs. Chin J Integr Med. 2020 Apr 1;26(4):243–50.
  • Ren J, Zhang A-H, Wang X-J. Traditional Chinese medicine for COVID-19 treatment. Pharmacol Res. 2020 May; 155:104743.

Fotos: wallpaper.com, Wellcome London.


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