Von Fabrice Müller
Wiederkehrend gerät die Komplementärmedizin auf politischer Ebene ins Kreuzfeuer und wird hinterfragt – jüngst durch zwei Vorstösse des Nationalrates Philippe Nantermod. Dabei ist sie in der Bevölkerung beliebter denn je. Der Dakomed leistet als Dachverband wertvolle Hintergrundarbeit.
„Es ist bekannt, dass die Wirksamkeit verschiedener Behandlungsmethoden der Komplementärmedizin wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden kann“, argumentiert der FDP-Nationalrat Philippe Nantermod in seinem Postulat vom 15. Dezember 2021, wo er eine Evaluation der Komplementärmedizin fordert – zehn Jahre nach der Aufnahme der komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung OKP. Weiter verlangt der Walliser Volksvertreter in seiner am gleichen Tag eingereichten Motion, dass ärztliche Leistungen wie etwa die Homöopathie, deren Wirksamkeit sich nicht wissenschaftlich belegen lässt, nicht mehr über die Grundversicherung vergütet werden. „Mit den Krankenkassenprämien werden jedes Jahr Leistungen finanziert, die – abgesehen von der Überzeugung der Patientinnen und Patienten, dass sie wirksam sind – keinen medizinischen Mehrwert bieten“, kritisiert Philippe Nantermod.
Statistik des BAG stützt die Aussagen von Nantermod nicht.
Tiefe Bruttoleistungskosten
Die beiden Vorstösse des Walliser Nationalrates stellen die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Komplementärmedizin infrage. Zu Recht? Bei der Frage der Wirtschaftlichkeit zeigt sich in der Statistik 2020 des Bundesamtes für Gesundheit BAG ein anderes Bild: Dort belaufen sich die Bruttoleistungen der Versicherer in der OKP bei der Komplementärmedizin im Jahr 2020 auf 18 Millionen Franken und sind somit im vernachlässigbaren Promillebereich. Zum Vergleich: Bei den Ärzten beispielsweise betragen die jährlichen Bruttoleistungen 7,6 Milliarden, bei den Medikamenten 2,25 und bei der Physiotherapie 1,15 Milliarden Franken. Die Kosten der Komplementärmedizin zeigen seit 2017 gemäss BAG-Statistik eine weitgehend gleichbleibende Entwicklung, während in den meisten anderen Kostengruppen ein Kostenanstieg zu verzeichnen war.
Zwei von drei Personen in der Schweiz nutzen Komplementärmedizin.
Grosse Beliebtheit in der Bevölkerung
Nicht dem Bild, das Philippe Nantermod in seinen beiden Vorstössen zeichnet, entsprechen auch das Ansehen und die Beliebtheit der Komplementärmedizin in der Bevölkerung. Eine Umfrage des Erfahrungsmedizinischen Registers EMR zeigt auf, dass zwei von drei Personen in der Schweiz Komplementärmedizin nutzen. Die Mehrheit der genutzten Behandlungen wurde von den befragten Personen als erfolgreich und wirksam empfunden. Die Stärke der Komplementärmedizin liegt in der individuellen, personenbezogenen Behandlung, betont Edith Graf-Litscher, Nationalrätin und Präsidentin des Dachverbandes Komplementärmedizin Dakomed.
„Für den Nachweis der Wirksamkeit der individualisierten Therapien der Komplementärmedizin braucht es daher andere Studien als diejenigen, bei denen die Abgabe des gleichen Medikaments an eine grosse Anzahl Menschen getestet wird. Leider fehlen uns die Gelder für die entsprechende Forschung. Um den Verfassungsvertrag umzusetzen, wurde die ärztliche Komplementärmedizin dem Vertrauensprinzip unterstellt, das de facto generell für die Hausarztmedizin gilt“, so Edith Graf-Litscher.
Unsere Aufgabe ist es, ein konstruktives Miteinander von Komplementär- und Schulmedizin zu stärken.
Der Dakomed setzt sich seit Jahren dafür ein, der Komplementärmedizin politisch den Rücken zu stärken. „Unsere Aufgabe ist es, die integrative Medizin und damit verbunden ein konstruktives Miteinander von Komplementär- und Schulmedizin zum Wohle der Patientin und des Patienten zu stärken“, erklärt Edith Graf-Litscher. So leistet der Verband viel politische Hintergrundarbeit, indem er die Verwaltung und die Politik mit Fakten und Argumentarien bedient.
Der Dachverband Komplementärmedizin setzt sich für die breite Anerkennung, Berücksichtigung und Förderung der Komplementärmedizin im Schweizerischen Gesundheitswesen ein. Die Kernanliegen des Verbandes sind: die Förderung der integrativen Medizin (Zusammenarbeit von konventioneller Medizin und Komplementärmedizin), die Förderung von Lehre und Forschung, die Sicherstellung der Heilmittelvielfalt und die Regelung der kantonalen Berufszulassung und Arzneimittelabgabe für nicht ärztliche Therapeut*innen.
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2 Kommentare
„Die beiden Vorstösse des Walliser Nationalrates stellen die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Komplementärmedizin infrage. Zu Recht? Bei der Frage der Wirtschaftlichkeit zeigt sich in der Statistik 2020 des Bundesamtes für Gesundheit BAG ein anderes Bild: Dort belaufen sich die Bruttoleistungen der Versicherer in der OKP bei der Komplementärmedizin im Jahr 2020 auf 18 Millionen Franken und sind somit im vernachlässigbaren Promillebereich“
Wer die Wirtschaftlichkeit von bezahlten Leistungen lediglich nach deren Bruttosumme beurteilt, hat nicht begriffen, worum es dem Gesetzgeber geht. Entscheidend ist die Wirksamkeit, und wenn diese nicht belegt werden kann, sind Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit obsolet, selbst wenn die Summe gering ist. Daran ändert auch nichts, wenn sich sehr viele nach der Abgabe von z. B. Glubuli besser fühlen. Dies ist auch kein Wunder, weil ca 90% aller Krankheiten durch das Immunsystem von selber heilen. Die Kosten fallen einfach zusätzlich an, ohne aber einen gesundheitlichen Mehrwert zu generieren. Das Hirn kreiert dann einfach aus Korrelation Kausalität.
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Die Hintergründe, weshalb ärztliche Komplementärmedizin über die Grundversicherung vergütet wird, finden Sie auf der Website des Bundesamtes für Gesundheitswesen BAG!