Integrative Medizin bezeichnet das Kombinieren der herkömmlichen Medizin mit komplementärmedizinischen Methoden. Die Universität Basel und die Klinik Arlesheim zeigten an einem gemeinsamen Wissenschaftskongress auf, wie intensiv zur Integrativen Medizin geforscht wird – und präsentierten erstaunliche Ergebnisse.
von Tanya Karrer
Neues aus der Forschung der Integrativen Medizin
Die Integrativmedizin vereint die Schul- mit der Komplementärmedizin. An der Universität Basel fand am 9. September ein Kongress zum Thema «Neues aus der Forschung der Integrativen Medizin» statt. Die hochkarätigen Referentinnen und Referenten präsentierten Studien, zitierten Meta-Analysen und reflektierten statistische Messgrössen. Im Zentrum ihrer Arbeit aber ist und bleibt der Patient. Den Auftakt zum Kongress macht Dr. med. Marc Schläppi, Leiter des Zentrums für Integrative Medizin am Kantonsspital St. Gallen. Der Onkologe, Internist und Anthroposoph vergleicht die Medizin mit der kulturellen Vielfalt der Schweiz: Beide seien integrierend. Dass die Integration von Komplementärmedizin in die Schulmedizin funktioniert, belegt er sogleich mit einer Vielzahl von Studien, und hält fest: «Auch der Mainstream nimmt heute wahr, dass es Evidenz für die integrative Medizin gibt.»
Fasten verlängert das Leben
Prof. Dr. med. Andreas Michalsen ist «Spiegel»-Bestsellerautor und Chefarzt für Naturheilkunde in Berlin. Sein Beitrag über das Fasten ist so üppig, wie unser Essen es eben nicht sein sollte. Der moderne Mensch leide an einem Übermass an Ernährung, sagt er. Deshalb tue es ihm gut, künstlichen Hunger zu erzeugen. Michalsen nimmt aber vorweg: «Ernährungsmedizin ist kompliziert.» Noch vor 30 Jahren habe sich kaum jemand für sie interessiert – heute hingegen kumulierten sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Je naturbelassener die Nahrung ist, die wir essen, desto besser.
Zusammengefasst zeigen sie: «Je natürlicher wir essen, desto besser.» Eine optimale Ernährung kann das Leben verlängern und Krankheiten vorbeugen. Fasten fördere zudem die körpereigene Zellmüllabfuhr, die Autophagie. Die Basisregel fürs Fasten sei, nicht zu essen, während der Serotoninspiegel hoch ist, also gleich nach dem Aufstehen und vor dem Zubettgehen. Das Fazit des Fachreferenten: «Eat food, mostly plants, not too much and not too fast.»
Wissenschaftskongress 2023
Der Wissenschaftskongress zur Integrativen Medizin wurde bereits zum zweiten Mal durchgeführt. Gemäss Dr. med. Lukas Schöb, Mitglied des Organisationskomitees und Ärztlicher Leiter der Klinik Arlesheim, entspricht der wissenschaftliche Dialog einem Bedürfnis. Im Zentrum steht die Salutogenese, also was Patientinnen und Patienten aktiv zu ihrer Gesundheit beitragen können. Schöb sieht in diesem Aspekt ein riesiges Zukunftspotenzial – als umso wichtiger erachtet er eine seriöse universitäre Forschung dazu. Am diesjährigen Kongress nahmen gut 100 Personen teil.
Mind-Body-Medizin hilft Krebspatient:innen
Auch für PD Dr. med. Petra Voiẞ ist Ernährung von zentraler Bedeutung. Sie ist Expertin für Mind-Body-Medizin in der integrativen Onkologie. Mind-Body-Medizin unterstützt Menschen darin, einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu entwickeln. Dafür bezieht sie Geist, Psyche, Körper und Verhalten mit ein. Gemäss Voiẞ könnten 40 Prozent der Krebsfälle durch Änderung der Ernährungsgewohnheiten und des Lebensstils vermieden werden. Bei Krebspatienten wiederum wirke sich eine frühe Mind-Body-Intervention nachweislich positiv auf Schmerzen und Stress aus. Voiẞ leitet ein solches Programm für Krebspatientinnen. Es umfasst Angebote wie Entspannungstechniken, naturheilkundliche Selbsttechniken, Achtsamkeit und Atemmeditation.
Bei Krebspatienten wirkt sich eine frühe Mind-Body-Intervention nachweislich positiv auf Schmerzen und Stress aus.
Mit Krebs befasst sich auch PD Dr. med. Matthias Kröz in der Klinik Arlesheim. Er untersucht, wie Schlafstörungen, Fatigue und Krebs zusammenhängen. Es gebe Anzeichen dafür, dass nicht nur Krebserkrankungen zu Schlafstörungen und Fatigue führen, sondern umgekehrt Schlafstörungen auch bestimmte Formen von Krebs begünstigen könnten. «Da ist noch viel Forschungsarbeit nötig», sagt Kröz. Was sich bereits jetzt zeige: Komplementäre Methoden wirkten bei der Schlafthematik besser als Medikamente.
Studien zu zahlreichen Methoden der Integrativen Medizin
Am Wissenschaftskongress der Universität Basel und der Klinik Arlesheim führten die Fachreferentinnen und -referenten eine geballte Ladung an Forschungsarbeiten für die Integrativmedizin ins Feld. Auch Misteltherapie, Kompressen und Fussbäder, Akupunktur, pflanzliche Vielstoffgemische und Eurythmie können sich mittlerweile auf Studien stützen. Verspürt die Integrative Medizin trotz aller Wissenschaftlichkeit auch Gegenwind? Dr. med. Marc Schläppi meint gelassen: «Ein bisschen Gegenwind brauchen wir, sonst fliegen wir nicht.»
Podcasts der Stiftung Krebsforschung Schweiz zu Integrativmedizin und Krebs
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Weiterführende Informationen und Literatur:
- Schweizer Fachverband für Mind Body Medicine
- In Defense of Food: An Eater’s Manifesto – Michael Pollan, 2009
Bilder: Sasin Tipcha ― Pixabay.com / Alesia Kozik ― Pexels.com / Alesia Kozik ― Pexels.com / Fer Martinez Gonzalez ― Pexels.com / zVg ― Klinik Arlesheim AG
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