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Das Immunsystem braucht Pflege

von Redaktion Millefolia
Drogist Stefan Fehr zwischen seinen Medikamenten

Interview: Tanya Karrer

Der Drogist und Naturheilpraktiker Stefan Fehr von der Klosterdrogerie St. Gallen kennt viele Wege, das Immunsystem zu stärken. Sei es mit Phytotherapie, orthomolekularer Medizin, Homöopathie oder Spagyrik.

Spätestens seit Covid-19 ist das Immunsystem in aller Munde. Herr Fehr, was ist das eigentlich?
Es ist, in einfachen Worten, das Abwehrsystem des Menschen. Es dient dazu, unerwünschte Keime wie Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten oder fremde Stoffe wie Pollen zu eliminieren, bevor sie krank machen.

Es gibt zwei verschiedene Arten. Was ist der Unterschied zwischen dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem?
Das angeborene Immunsystem reagiert sehr schnell auf Fremdstoffe. Zu ihm gehören Schleimhäute, Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Schleim, die Magensäure oder das Flimmerhaarepithel, das den gesamten Atmungstrakt auskleidet. Auch die weissen Blutkörperchen gehören zum Abwehrsystem. Zunehmend in den Fokus rückt auch die Darmflora. Das angeborene Immunsystem reagiert sehr schnell, aber nicht immer ausreichend.

Dann kommt das erworbene Immunsystem ins Spiel?
Dieses produziert spezifisch Antikörper gegen Erreger. Dieser Prozess kann aber Stunden bis Tage dauern. Dafür bildet sich ein sogenanntes Immungedächtnis. Bei einer erneuten Infektion mit demselben Erreger kann das Immunsystem so schnell und spezifisch reagieren. Der Schutz dauert allerdings oft nur eine gewisse Zeit an, wie wir gerade in den letzten zwei Jahren bei den Covid-19-Antikörpern gesehen haben.

Heilpflanze Sonnenhut – Echinacea

Sonnenhut – Echinacea: nicht nur schön, von Naturheilkpraktiker Stefan Fehr auch als Heilpflanze emfohlen

Lässt sich das Immunsystem stärken, gerade im Hinblick auf den Winter?
Ich finde, man muss das Immunsystem grundsätzlich pflegen. Aus dem Drogerie­sortiment eignet sich sicher die Phyto­therapie zur präventiven Stimu­lierung des Immun­systems. Der Sonnenhut beispiels­weise ist gut erforscht. Man weiss von ihm, dass er die Bildung von Abwehr­zellen wie Leuko­zyten anregt. Auch die Taigawurzel (sibirischer Ginseng) oder Holunder­blüten können Erreger abwehren, bevor diese krank machen.

Was gibt es neben Phytotherapie noch?
Zum Beispiel die orthomolekulare Medizin. Das sind Mikronährstoffe wie Vitamine, Mineralien oder Spurenelemente. Die fünf wesentlichen sind Vitamin A, Vitamin C, Vitamin D, Zink und Selen. Von ihnen weiss man, dass sie das Immunsystem unterstützen. Zink hat eine antivirale Wirkung. Vitamin A fördert eine intakte Schleimhaut. Diese stellt eine erste Barriere gegen Erreger dar. Eine gute Versorgung lässt sich über Ernährung oder Supplemente erreichen.

Bewegung ist ein sehr wichtiger Teil. Sie fördert die Durchblutung, unterstützt die Bildung von Abwehrzellen und macht diese aktiver.

Dann spielt also auch eine gesunde Ernährung eine Rolle?
Alle sprechen von gesunder Ernährung, aber niemand weiss so genau, was das ist (lacht). Ich sage jeweils, man solle sich einen Teller vorstellen. Die Hälfte darauf sollte aus Gemüse oder Salat bestehen, ein Viertel aus möglichst vollwertigen Kohlehydraten und ein Viertel aus Eiweissträgern wie magerem Fleisch, Hülsenfrüchten oder Milchprodukten. Es klingt einfach, ist aber manchmal schwer zu erreichen.

Sie messen der Lebensführung allgemein einen hohen Stellenwert in Bezug auf das Immunsystem zu. Was macht eine gute Lebensführung aus?
Bewegung ist ein sehr wichtiger Teil. Sie fördert die Durchblutung, unterstützt die Bildung von Abwehrzellen und macht diese aktiver. Eine halbe Stunde zügig laufen pro Tag macht uns Menschen auch resistenter gegenüber Kälte, Hitze oder Nässe. Aber Bewegung sollte auch Spass machen.

Dann gibt es auch seelische Faktoren?
Ausgeglichenheit ist grundlegend. Sie lässt uns den Alltag gelassener angehen. Man erträgt mehr, wird nicht gleich aus der Bahn geworfen. Auch regelmässiger Schlaf fördert die Ausgeglichenheit.

Die von Stefan Fehr geführte Klosterdrogerie in St. Gallen

Die Klosterdrogerie befindet sich in unmittelbarer Nähe des Klosters St. Gallen im Zentrum der Altstadt.

St. Gallen hat den ältesten Kneipp-Verein der Schweiz. Auch Kneipp-Anwendungen sollen das Immunsystem stimulieren.
Ich finde tatsäch­lich, dass zum Beispiel Kalt­waschungen und Wechsel­duschen sehr effi­zient sind. Leider gehen diese Anwen­dungen vergessen. Sie sind zeit­intensiv und man muss sich dazu über­winden. Bei jungen Leuten hat dies im Tages­ablauf kaum mehr Platz.

 

Oft möchten Kunden in der Drogerie nur rasch etwas über die Laden­theke kaufen. Wie können Sie dennoch eine indivi­duelle Behand­lung erreichen?
Wir versuchen im Gespräch, das Wesentliche herauszuschälen und genau hinzuhören. Dann kann man mit einer individuellen Zusammenstellung der Therapie viel erreichen. Die Therapie richtet sich sehr stark nach der geschilderten Symptomatik der Kunden.

Mit welchen häufigen Symptomen kommen die Menschen denn in Ihre Drogerie?
Einerseits viele Mütter mit Kindern, die an wiederkehrenden Infekten leiden. Hier mache ich gute Erfahrungen mit Homöopathie, oft mit Tuberculinum oder Calcium carbonicum. Diese können auch über zwei bis drei Monate eingenommen werden. Es ist ein Mittelding zwischen Prophylaxe und Therapie.

Und andererseits?
In letzter Zeit ist Long Covid ein grosses Thema. Die Betroffenen klagen über hartnäckigen Reizhusten über mehrere Wochen hinweg oder leiden an grosser Erschöpfung trotz guter Lebensführung.

Ausgeglichenheit ist grundlegend. Sie lässt uns den Alltag gelassener angehen.

Was können Sie bei Long Covid ausrichten?
Ich arbeite hier gerne mit der orthomolekularen Medizin. Zum Beispiel mit einer Kombination von B-Vitaminen, Vitamin D, Zink und dem Coenzym Q10. Die Mitochondrien sind zentral für die Energiegewinnung und spielen vermutlich auch bei Long Covid eine Rolle. Mit Q10 lässt sich ihre Leistung verbessern. Bisher hatte ich viele gute Rückmeldungen zu dieser Therapie.

Und wann schicken Sie Ihre Kunden zum Arzt?
Wenn mehrere Beschwerdebilder ineinandergreifen, wenn eine Erkrankung schon weit fortgeschritten ist, der Patient viele verschiedene Medikamente einnehmen muss oder für weitere diagnostische Abklärungen.

Das Darmmikrobiom ist ein populäres Thema. Auch in Ihrer Drogerie und Praxis?
Darmbeschwerden sehe ich tatsächlich. Die Betroffenen sind von der Schulmedizin austherapiert und suchen bei uns Hilfe. Sie hatten Darmspiegelungen, Blutanalysen und Stuhlproben ohne Auffälligkeiten. Die Diagnose: Reizdarmsyndrom. Ich biete in diesem Bereich spezielle Stuhltests und Beratung an und schlage mit den Patienten alternative Behandlungswege, zum Beispiel mit Bitterstoffen, Milchsäure und Probiotika, ein. Dank zunehmender Forschung wird die Bedeutung eines gesunden Mikrobioms immer klarer. Deshalb ist eine gute Darmfunktion auch für das Immunsystem von grosser Bedeutung. Auch sie braucht Pflege.


Stefan Fehr

Stefan Fehr ist Drogist mit eidgenössischem Diplom sowie Naturheilpraktiker. 1987 übernahm er die Klosterdrogerie in St. Gallen. Seit zwei Jahren leitet die jüngere seiner beiden Töchter die Geschäfte der auf Komplementärmedizin spezialisierten Drogerie. Ausführliche Beratungen und Behandlungen bietet Fehr in der an die Drogerie angeschlossenen Naturheilpraxis an.


Bilder: Jana Ohajdova, Tanya Karrer


Dieser Beitrag ist zuerst im Millefolia-Bulletin Nummer 36 in gedruckter Form veröffentlicht worden. Sie finden das Bulletin hier als PDF.

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