Tierarzt Alfons Knüsel, Gynäkologin Gesa Otti-Rosebrock und Urologe Jürgen Pannek sind sich einig: Viele bakterielle Infektionen lassen sich ohne Antibiotika behandeln. Die Komplementärmedizin hält alternative Therapieansätze zur Antibiose bereit.
Von Tanya Karrer
Zum vierten Mal in Folge lud der Schweizerische Dachverband Komplementärmedizin (Dakomed) unter dem Präsidium von Nationalrätin Edith Graf-Litscher zur Publikumsveranstaltung «Reduzierter Antibiotika-Einsatz dank Komplementärmedizin» und läutete damit die von der WHO jährlich ausgerufene World Antibiotic Awareness Week ein. Weshalb der unüberlegte Einsatz von Antibiotika dringend überdenkt werden muss, zeigt Dr. med. Gesa Otti-Rosebrock am Beispiel der Gonokokken. Diese Bakterien sind Auslöser der Geschlechtskrankheit Tripper – und gegen sie existiert heute kein nicht-resistentes Antibiotikum mehr.
Gegen Gonokokken existiert kein nicht-resistentes Antibiotikum mehr.
Otti-Rosenbrock wendet bei entzündlichen Frauenkrankheiten Phytotherapie an. Prof. Dr. med. Jürgen Pannek, Chefarzt am Paraplgiker-Zentrum Nottwil, stellt gleich ein ganzes Arsenal von alternativen Behandlungsmöglichkeiten für Harnwegsinfekte vor. Auf Homöopathie setzt Veterinärmediziner Alfons Knüsel. Er hat erfolgreiche Behandlungsstrategien entwickelt, mit denen er den Antibiotika-Einsatz bei seinen tierischen Patienten reduzieren konnte.
Die Veranstaltung nachträglich ansehen
Die Dakomed-Veranstaltung «Reduzierter Antibiotika-Einsatz dank Komplementärmedizin» wurde aufgezeichnet. Sie können die Referate jetzt auf YouTube anschauen >
Med. vet. Alfons Knüsel – Homöopathie statt Antibiose
Von elf Katzen, die an Fieber unbekannten Ursprungs litten, behandelte Tierarzt Knüsel zehn erfolgreich homöopathisch mit Ferrum phosphoricum oder Belladonna, eine Katze mit Entzündungshemmern. Aber keines der Tiere erhielt Antibiotika, wie das im Studium für solche Fälle einst noch gelehrt wurde. Da die Menge von eingesetzten Antibiotika mit dem Gewicht des Tieres zusammenhänge, liessen sich bei Kühen mehr Antibiotika einsparen als bei Katzen, erklärt Knüsel. Folglich wendet er seine Erfahrung auch bei Kühen an.
Eine neue Studie stützt den homöopathischen Behandlungsansatz in der Tiermedizin.
Eine an Mastitis erkrankte Kuh konnte er wirksam mit Arsenicum album C30 behandeln. Von der Antibiose bei Euterentzündung wird mittlerweile auch in der Schulmedizin abgeraten. Die Homöopathie stellt eine wertvolle Alternative dar. Eine neue Übersichtsstudie[1] stützt Knüsels homöopathischen Behandlungsansatz.
Dr. med. Gesa Otti-Rosebrock – Phytotherapie bei gynäkologischen Infektionen
«Ich habe kein einziges Antibiotikum für Harnwegsinfektionen mehr in meinem Schrank», sagt Frauenärztin Otti-Rosebrock. Ihre Zusatzausbildung in Phytotherapie erlaubt es ihr, für ihre Patientinnen individuelle Magistralrezepturen auf Pflanzenbasis zusammenzustellen und so den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Denn Antibiotika, so erklärt sie, beeinflussen das menschliche Mikrobiom. Ein antibiotisches Medikament töte – neben den schädlichen – oft auch nützliche Bakterien ab. Was beispielsweise wieder Pilzinfektionen Vorschub leisten kann.
Gegen Harnwegsinfektionen helfen Bärentraube, echte Goldrute oder Kapuzinerkresse.
Ob Vulvitis oder Brustentzündung, gegen fast alles ist ein Kraut gewachsen. Harnwegsinfektionen behandelt Otti-Rosebrock häufig mit Bärentraube, echter Goldrute oder Kapuzinerkresse.
Prof. Dr. med. Jürgen Pannek – Therapieoptionen bei Harnwegsinfektionen von Querschnittgelähmten
Auch der in Homöopathie ausgebildete Urologe und Chefarzt Prof. Dr. med. Jürgen Pannek verweist auf die Mikroorganismen im Urin. Ein Harnwegsinfekt, so der Experte, sei eine Veränderung des Mikrobioms, in welchem pathogene Keime überwogen. Unkomplizierte Harnwegsinfekte müssten aber nicht antibiotisch behandelt werden, hält er fest, und nennt zahlreiche Therapie-Alternativen. In einer Vergleichs-Studie[2] konnte Pannek zum Beispiel zeigen, dass die Behandlung von Harnwegsinfekten mit Antibiotika im Vergleich zur Behandlung mit Homöopathie keine besseren Heilungsraten brachte. Aktuell forscht Pannek zu Bacteriophagen. Können die bakterienfressenden Viren dereinst das Antibiotika-Dilemma lösen?
Antibiotika brachten bei Harnwegsinfekten keine bessere Heilungsrate als Homöopathie.
Dakomed und die Referent:innen sind sich einig: Um den Einsatz von Antibiotika spürbar zu reduzieren, benötigt es mehr Ausbildung und Forschung in der Komplementärmedizin. Dazu müssen alle Disziplinen sowohl der Schul- als auch der Komplementärmedizin zusammenspannen.
Komplementärmedizin bei Entzündungen
Nicht alle bakteriellen Infektionen müssen mit Antibiotika behandelt werden. Sowohl Phytotherapie als auch Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin und die Anthroposophische Medizin kennen Anwendungen zur Linderung von Entzündungen. Der ganzheitliche Ansatz der Komplementärmedizin zielt darauf ab, Infektionen zu hemmen, Schmerzen zu stillen, Hormone auszugleichen und das Immunsystem allgemein zu stärken.
Quellen
[1] Weiermayer P et al. Evidenzbasierte Veterinär-/Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik – ein Überblick. Schweiz Arch Tierheilkd. 2020 Oct;162(10):597-615. doi: 10.17236/sat00273.
[2] Pannek J et al. Usefulness of classical homeopathy for the prophylaxis of recurrent urinary tract infections in individuals with chronic neurogenic lower urinary tract dysfunction. J Spinal Cord Med. 2019 Jul;42(4):453-459. doi: 10.1080/10790268.2018.1440692.
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3 Kommentare
Morgenurin, Mittelstrahl, noch warm trinken … hat mir bisher immer geholfen.
Urin ist bei einer Blasenentzündung mit Bakterien voll. Somit würde man die ausgeschiedenen Keime erneut aufnehmen. Das verschlimmeet die Infektion noch.
Mal vom Ekelfaktor abgesehen.
Was hilft den nun gehen bakterielle Infektionen ausser Antibiotika?