von Andreas Krebs
Schmerzen sind in der Regel die Folge einer Erkrankung oder eines Unfalls – der akute Schmerz ist hier ein wichtiges Warnsignal. Chronischer Schmerz hingegen hat diese Funktion verloren und gilt als eigenständige Erkrankung. Der Arzt und Schmerzspezialist Hans Peter Ogal setzt bei der Behandlung auch auf Komplementärmedizin.
Warum entsteht chronischer Schmerz?
In der Schweiz leiden rund 1,5 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. «Akuter Schmerz kann sich schnell chronifizieren», sagt Dr. med. Hans Peter Ogal, Schmerzspezialist im Ambulatorium der Paramed AG, Zentrum für Komplementärmedizin in Baar (ZG/Schweiz). «Früher ging man davon aus, dass Schmerz chronisch wird, wenn er zwei Monate anhält. Heute wissen wir, dass sich das Nervensystem schon nach zwei Stunden anhaltenden Schmerzes verändern und eine Chronifizierung entstehen kann.»
Heute wissen wir: Schon nach zwei Stunden kann anhaltender Schmerz chronisch werden.
Der Grund: die neuronale Plastizität. Der Schmerz verändert unser Gehirn. Betroffen ist jedoch nicht nur das Gehirn, sondern das gesamte vegetative Nervensystem und oft auch die Psyche. Damit droht ein klassischer Teufelskreis: Mehr Schmerz führt zu weniger Bewegung und zur Vermeidung sozialer Kontakte – was wiederum das Leid erhöht und in einer Depression münden kann. «Deshalb», betont Ogal, «ist es wichtig, akuten Schmerz rasch und wirksam zu behandeln.».
Komplementärmedizin bei chronischen Schmerzen
«Wird der Schmerz chronisch, braucht es eine individuelle, oft multimodale Therapie», sagt Ogal: «Die Komplementärmedizin kann dabei gute Dienste leisten.» Der Facharzt behandelt chronische Schmerzpatienten unter anderem mit folgenden von der Grundversicherung vergüteten Methoden:
- Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
- Anthroposophische Medizin
- Homöopathie
- Phytotherapie
Bei Migräne etwa habe Homöopathie einiges zu bieten. Gute Erfolge zeigen laut Ogal auch die Neuraltherapie, die Orthomolekulare Therapie sowie ausleitende Verfahren wie Schröpfen.
Es gilt, dass jeder Patient ein individuelles Therapieprogramm bekommt. Denn jeder Mensch ist einzigartig.
Viele Betroffene profitierten zudem von einer Psychotherapie, denn chronischer Schmerz kann auch mental stark belasten. Die Erfahrung der oder des Behandelnden sei entscheidend, welche Therapien zum Einsatz kommen, sagt Ogal. «Hierbei gilt, dass jeder Patient ein individuelles Therapieprogramm bekommt. Denn jeder Mensch ist einzigartig.»
Pflanzliche Arzneimittel in der Schmerztherapie
- Arnikablüten: Wirken abschwellend und verbessern die Wundheilung. Anwendung bei Knochenschmerzen, Haut- und Schleimhautentzündungen
- Baldrian: Beruhigende, angstlösende Wirkung
- Johanniskraut: Bei Neuralgien und Neuropathien
- Minzöl: Lokal (äusserlich) bei Spannungskopfschmerzen und Migräne
- Teufelskrallen-Extrakt: Bei Gelenk-, Muskel- und Knochenschmerzen
- Weidenrinde: Bei Knochen- und Kopfschmerzen
- Weihrauch: Bei chronisch entzündlichen Erkrankungen des Bewegungsapparats sowie bei Kapselschmerzen von Leber und Milz
Schmerz als Zeichen für nötige Veränderung
Eine schnelle und komplette Reduktion chronischer Schmerzen ist indes oft nicht zu erwarten. Die Schmerzen sollten aber kontrollierbar und tolerierbar und Lebensqualität wiederaufgebaut werden. Der persönliche Umgang mit den Schmerzen sei auch entscheidend, sagt der Schmerzspezialist. «Schmerz ist nicht unser Feind. Schmerz will uns etwas sagen. Er ist das Zeichen des Körpers für eine nötige Veränderung.»
Medikamente können zwar helfen, aber nur beschränkt. Auch eine Operation ist selten das Mittel der Wahl. Vielmehr sind laut dem Schmerzspezialisten aktive Ansätze nötig, um das Gehirn zu schulen.
Dem Schmerz aktiv begegnen
Die Ernährung spielt bei Schmerzerkrankungen eine wichtige Rolle: «Naturbelassene Lebensmittel und eine Reduktion der Kohlenhydrate, besonders des Glutens, können das Leid lindern», sagt Hans Peter Ogal. Zudem gilt: Wer erholsam schläft, aktiv ist und sich regelmässig bewegt, kommt besser mit den Schmerzen zurecht und verringert das Schmerzempfinden. Bei akutem Schmerz ist Schonung oft sinnvoll, das Ruhigstellen begünstigt die Heilung.
Wer gut schläft, aktiv ist und sich regelmässig bewegt, kommt besser mit den Schmerzen zurecht und verringert das Schmerzempfinden.
Bei chronischem Schmerz kann Schonung den Schmerz hingegen verschlimmern. Bewegung und Entspannungsübungen können die Schmerzempfindlichkeit reduzieren respektive die Schmerzschwelle erhöhen – chronischen Schmerzen aktiv zu begegnen kann also zu einem gewissen Grad ein wirksames Mittel sein, um sich von ihnen nicht zu sehr einschränken zu lassen.
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2 Kommentare
Liebes Team,
In den Abschnitt „Komplementärmedizin bei chronischen Schmerzen“ würde ich liebend gern auch die Mikroimmuntherapie mit hinzufügen. #mikroimmuntherapie
Vielen Dank für Ihren Hinweis! Das ist das Schöne an der Komplementärmedizin, dass sie über eine derart grosse Vielfalt an Methoden verfügt, die individuell eingesetzt werden können. Eine vollständige Aufzählung der wirksamen Methoden bei chronischen Schmerzen hätte hier wohl den Rahmen gesprengt – aber wir merken uns die Mikroimmuntherapie vor! Beste Grüsse