Von Yves Scherer
Die Jahreszeit bringt, was die Jahreszeit braucht, könnte man sagen, wenn gegen Ende des Winters der Huflattich seine goldgelben Blüten aus dem Schnee streckt. Wer an Husten und verschleimten Atemwegen leidet, dem bringt diese Pflanze Erleichterung.
Filibus ante patrem lautet ein alter Name des Huflattichs (Tussilago farfara). Übersetzt bedeutet er «Sohn vor dem Vater». Es ist ein Hinweis darauf, dass der Huflattich blüht, bevor er seine Blätter entwickelt. Leonhart Fuchs, ein Mediziner aus Tübingen, schreibt dazu in seinem «New Kreüterbuch» vom Jahr 1543: «… und werden bletter / stengel und blumen nimmer bey einander gefunden. Darumb seind auch vil gewesen die geglaubt haben / das dis kraut habe weder stengel noch blumen / das doch falsch und erlogen ist …».
Im Reich der Kräuter, wo meistens zuerst die Blätter und erst dann die Blüten hervorkommen, ist der Wuchs des Huflattichs, wie auch jener seiner engen Verwandten, der Pestwurz, ein Regelbruch. Allein die Natur kennt den wahren Grund für diese Eigenart – es mag mit dem frühzeitigen Erscheinen der beiden Korbblütler zusammenhängen, die ihre Blüten kurz nach der Schneeschmelze hervorbringen. Nach einer kurzen Blütezeit zeigt sich bei beiden Arten ein feiner weisser Haarschopf, ähnlich wie beim Löwenzahn.
Über ein weitverzweigtes Wurzelsystem breitet sich Huflattich in alle Richtungen aus und kann dabei grosse Bestände bilden.
Wenn die Samen gegen Ende April ausgereift sind, werden sie vom Wind fortgetragen. In dieser Jahreszeit sind die Böden noch feucht. Das mag der Huflattich. Auf nassen Tonböden gedeiht er am besten. Über ein weitverzweigtes Wurzelsystem breitet er sich in alle Richtungen aus und kann grosse Bestände bilden.
Tussim ago! Der Name ist Programm
Der Huflattich ist seit über 2000 Jahren ein bewährtes Hustenmittel. «Tussilago» von «Tussim ago» bedeutet: Ich vertreibe den Husten! Der Namenszusatz «farfara» vom lateinischen «farina» (Mehl) und «ferere» (tragen) bezieht sich auf den weichen, weiss-filzigen Überzug auf der Blattunterseite. Der deutsche Name «Huflattich» bezeichnet sehr genau Form und Grösse der Blätter, die dem Abdruck eines Pferdehufes ähneln. Man kann sie leicht mit den Blättern der jungen Pestwurzpflanzen verwechseln, nur werden sie nicht so gross wie diese. Eine ausgewachsene Pestwurz trägt nördlich der Alpen die grössten Blätter, welche oft einen Durchmesser von mehr als 60 cm erreichen.
Drei berühmte Ärzte des Römischen Reiches – Plinius der Ältere, Dioskurides und Galenus – empfahlen den Huflattich zur Behandlung von trockenem Husten und Schweratmigkeit. Man solle «tussilago» auf glühende Kohlen legen (Plinius nennt Zypressenholz) und den Rauch durch einen Trichter oder ein Schilfrohr inhalieren.
Huflattich wirkt beruhigend auf gereizte Schleimhäute, er erleichtert das Abhusten und schützt gleichzeitig die Bronchien.
Der Kräuterarzt Pietro Andrea Mattioli (Siena, 1501–1578) meinte, anstatt den Huflattich als Hustentee zuzubereiten, «seyend aber unsere Tabakpfeifen bequemer dazu». Auch in neuerer Zeit wurde der Rauch des Huflattichs therapeutisch inhaliert – als Asthmazigarette. Gemischt mit Waldmeister, Odermenning und den Blüten des Muskateller-Salbeis, empfiehlt ihn die Heilpraktikerin Margret Madejsky (Esslingen am Neckar, 1966) als nikotinfreien Tabakersatz. Aus heutiger Sicht darf Mattiolis Aussage umgedreht und statt der Tabakpfeife der Tee empfohlen werden.
Huflattich-Anwendungen zum selber machen
Kaltwasserauszug (Mazerat) gegen Husten:
In hoher Dosierung sind alle Teile des Efeus giftig und dürfen nicht eingenommen werden. Deshalb wird Efeu nicht als Tee, sondern fast nur in Form von fertigen Arzneien angeboten. Unbedenklich ist hingegen die äussere Anwendung als Kompressen oder Öl. Die Herstellung des Efeu-Kreislauföles geht so:
Eine handvoll zerkleinerte Blätter (frisch oder getrocknet) in einen Topf geben, mit einem halben Liter lauwarmem Wasser übergiessen und über Nacht zugedeckt stehen lassen. Am nächsten Morgen erwärmen und abseihen. Mit etwas Honig süssen und schluckweise warm trinken.
Infusion (Tee):
1–2 Teelöffel getrocknete Huflattich-Blätter pro Tasse mit heissem Wasser übergiessen, 10 Minuten ziehen lassen. 2 bis 3 Tassen über den Tag verteilt trinken. Die geeignete Temperatur hat das gekochte Wasser, wenn man es vor dem Übergiessen fünf Minuten abkühlen lässt.
Wundauflage:
Einige frische Blätter mit dem Wallholz zerquetschen, direkt auf die wunde Stelle legen und mit einer Gazebinde oder einem dünnen Baumwolltuch verbinden. Die Kompresse mehrmals täglich erneuern.
Ein Klassiker der Volksheilkunde
Gegen Husten, Heiserkeit und entzündliche Erkrankungen der oberen Atemwege haben Huflattich-Anwendungen eine lange Tradition. Als klassische Schleimdroge (Mucilaginosum) wirkt Huflattich beruhigend auf gereizte Schleimhäute. Er erleichtert das Abhusten von zähem Schleim und schützt gleichzeitig die Bronchien mit einer dünnen Schicht reizlinderndem Pflanzenschleim. Die krampflösende Wirkung wird unter anderem dem enthaltenen Salpeter zugeschrieben. Auch Gerbstoffe finden sich in den Blättern. Sie wirken keimhemmend und regenerieren das Gewebe, Flavonoide lindern Entzündungen, Bitterstoffe regen den Stoffwechsel an und kräftigen den ganzen Organismus.
Die Wirkung von Huflattich lässt sich gut mit der anderer Pflanzen kombinieren, wie etwa Spitzwegerich und Thymian, Eibischwurzel, Königskerzen- und Malvenblüten.
Wie alle anderen Schleimdrogen sollte auch der Huflattich nicht mit kochend heissem Wasser überbrüht werden, da so ein Teil des Pflanzenschleims zerstört wird. Besser ist es, die Heilpflanze in kaltem Wasser über Nacht anzusetzen (siehe Anwendungen). Selbstverständlich lässt sich der Huflattich gut mit anderen Pflanzen kombinieren, die das gewünschte Wirkspektrum erweitern. Gute hustenreiz-mildernde Pflanzen sind Spitzwegerich und Thymian. Bewährte Schleimdrogen zum Schutz der Schleimhäute sind Eibischwurzel, Königskerzen- und Malvenblüten. Auswurffördernde Mittel sind Schlüsselblumenwurzel oder frisch gequetschte Anis-, Fenchel- und Kümmelsamen. Thymian und Kümmelsamen weisen zudem eine starke keimhemmende Wirkung auf.
Dieser Artikel wurde vom Schweizer Magazin «natürlich» zur Verfügung gestellt.
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Bilder: Wirestock; Olli Kilpi – Unsplash; Alessandro Moretto – Musei di Strada Nuova; Wirestock
Literatur: Leonhart Fuchs. Das New Kreüterbuch, 2022
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