Von Andreas Krebs
«Die Pandemie endet, Long-Covid bleibt» – so leitete Ursula Marthaler, Vizepräsidentin der Stiftung ASCA, das 16. Forum der Stiftung für Komplementärmedizin ein. Das Thema: «Posttraumatisches Stresssyndrom nach zwei Jahren Covid-Pandemie.»
«Psychisch kranke Menschen sind prädisponiert für schwere bis tödliche Covid-Verläufe. Sie leiden auch häufiger an Long-Covid», sagte Arzt und Psychologe Prof. Christian Schubert, Leiter des Labors für Psychoneuroimmunologie an der Uniklinik Innsbruck. Für ihn ist Covid-19 «eine psychische Pandemie. Eine Angsterkrankung, die uns erfasst hat.»
Das Drama der Maschinenmedizin ist, dass sie über den ständigen Versuch, Symptome wegzumachen, Krankheiten chronifiziert.
Schuld daran sei auch die «Infodemie der globalisierten Medien: Sie schürten die Angst, noch bevor das Virus da war». Angst und Stress aber befeure Entzündungen und schwäche das Immunsystem. Betroffene seien dann empfänglich für virale Infektionen und langfristig für Allergien und Krebs. «Wir haben nicht genug gelernt aus der Geschichte. Massenpsychologische Propaganda-Aspekte sind äusserst gefährlich.» Am meisten kritisierte er aber seinen Stand: «Die Verantwortung ist bei der Medizin zu suchen.»
Wird Long-Covid zur Cashcow?
Die «moderne Medizin mit ihrer Maschinenideologie» klammere den Einfluss der Psyche immer noch weitgehend aus, sagte Schubert. «So kommen wir bei chronischen Erkrankungen wie Krebs oder Long-Covid nicht weiter.» Als Ausweg präsentierte er das «Biopsychosoziale Modell» des US-amerikanischen Psychiaters George Engel (1913 – 1999). Der ging von einer Körper-Seele-Einheit aus. Schubert: «Nicht die Zelle, sondern die Gesellschaft macht uns krank.»
Wir wüssten gar nicht genau, was Long-Covid sei, so Schubert weiter. «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine neue Krankheit definieren, die wir schon lange kennen, nur unter anderen Namen: Sickness behaviour und posttraumatische Entzündungserkrankung.» Es bestehe die Gefahr, dass Long-Covid zur Cashcow der Maschinenmedizin werde. «Wenn wir jetzt das Psychische nicht beachten und in der Behandlung keinen ganzheitsmedizinischen Zugang wählen, wird das eine Katastrophe.» Für ihn steht fest, dass man bei der Behandlung von Long-Covid weg von der rein körperlichen Behandlung hin zur Trauma-Therapie muss.
Long-Covid und Post-Covid
Long-Covid bezeichnet Symptome nach einer Infektion, die mehr als einen und bis zu drei Monate anhalten. Wenn die Symptome länger als drei Monate anhalten, sprechen Mediziner von Post-Covid (–> siehe auch den BAG-Beitrag dazu). In der Bevölkerung hat sich die Bezeichnung Long-Covid für alle bleibenden Beschwerden etabliert. Sie wird auch in diesem Artikel verwendet.
Zurück zur Debattenkultur
Florian Pelzer, Forscher an der Universität Witten/Herdecke, widmete seinen Vortrag dem Potenzial der Misteltherapie. Zunächst aber forderte er, dass die Debattenkultur wieder Einzug hält in das Studium angehender Mediziner. «Wenn es zu einem Thema nur eine Meinung gibt, ist es Politik. Wissenschaft hingegen ist Debatte. Und Debatten sind die Basis der Demokratie.»
Dann stellte Pelzer die aktuelle Studienlage zum Thema Misteltherapie in der Behandlung von Long-Covid vor. «Erste Empfehlungen aus Sicht der anthroposophischen Medizin wurden ausgearbeitet», sagte er. Abgeleitet wurden diese von der Behandlung bei krebsbedingter Fatigue. «Dazu haben wir Anfang 2022 eine Meta-Analyse veröffentlicht, welche die Wirksamkeit der Misteltherapie belegt», sagt Pelzer. Explizit dankte er schliesslich dem Dachverband Komplementärmedizin Dakomed dafür, dass dank seines Wirkens der Bundesrat die Komplementärmedizin in die Behandlungsstrategie von Long-Covid aufgenommen hat.
Kinder nicht vor Infektion schützen
Prof. em. Dr. med. Pietro Vernazza, von 2000 bis 2021 Chefarzt der Infektiologie am Kantonsspital St. Gallen, sprach sich aus für eine «differenzierte Gabe der Impfung». Eine Grundimmunisierung für besonders Gefährdete hält er für sinnvoll. «Kinder und Jugendliche hingegen sollte man nicht gegen Covid-19 impfen. Sie sind kaum betroffen von der Erkrankung.»
Ein hoher Vitamin D-Spiegel schützt vor schwerer Erkrankung.
Das Beste, was man für Kinder tun könne, sei dafür zu sorgen, dass sie eine Corona-Erkrankung bekommen könnten. «Massnahmen, um dies zu verhindern, sind stupid», sagt Vernazza. «Denn die beste Immunabwehr baut man auf bei einer natürlichen Infektion. Deshalb braucht man keine Impfung, wenn man schon eine Corona-Erkrankung hatte.» Das gelte auch für Risikogruppen. Die Gefahr einer Long-Covid-Erkrankung werde durch die Impfung zwar reduziert. Es sei jedoch gut dokumentiert, dass auch die Impfung selbst zu Long-Covid führen könne.
Ausführlich widmete sich Vernazza auch dem «Sonnenhormon»: «Vitamin D spielt bei allen chronischen Erkrankungen eine riesige Rolle», betonte er. «Ein hoher Vitamin D-Spiegel schützt vor schwerer Erkrankung.» Leider gebe es jedoch keine Studien, die zeigten, dass das Risiko durch die Gabe von Vitamin D reduziert werde. Vielmehr sei der natürliche Blutspiegelwert entscheidend. «Trotzdem haben wir, evidenzlos, allen Patienten Vitamin D gegeben und damit gute Erfahrungen gemacht.»
Stiftung ASCA
Die Stiftung für Komplementärmedizin ASCA überprüft als Registrierstelle den Ausbildungsstandard und die Weiterbildungspflicht von ca. 18 000 professionellen Therapeut*innen gemäss der ASCA-Methodenliste. Partnerversicherer vergüten deren Leistungen gemäss ihren Produkten in der Komplementärmedizin. Daneben sind bei der Stiftung ASCA 350 Ausbildungsinstitute akkreditiert. Auf www.asca.ch finden Sie gut ausgebildete Therapeut*innen und Ausbildungsinstitute, die dem ASCA-Qualitätsstandard entsprechen.
Bilder: Sabine Lützen, ASCA
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