Von Tanya Karrer
Homöopathische Komplexmittel bestehen aus mehreren Einzelmitteln der Klassischen Homöopathie. Ihre Anwendung eignet sich gut für die Selbstmedikation und den Einstieg in die Homöopathie. Adrian Schumacher, Homöopath und Drogist, erklärt, welche Vor- und Nachteile die zusammengesetzten Mittel haben, und worin ihr Unterschied zur Klassischen Homöopathie besteht.
Die Komplex-Homöopathie ist eine eigenständige Weiterentwicklung der über zweihundert Jahre alten Klassischen Homöopathie. Herr Schumacher, wann raten Sie als Drogist zum Komplexmittel?
Adrian Schumacher: Im Rahmen der Selbstmedikation bei unkomplizierten, akuten oder hochakuten Erkrankungen, wie zum Beispiel bei Nasennebenhöhlenentzündungen.
Homöopathische Komplexmittel eigenen sich zur Selbstmedikation bei unkomplizierten, akuten Erkrankungen.
Verordnen Sie als Homöopath ebenfalls Komplexmittel?
In der Klassischen Homöopathie arbeitet man nur mit einer einzigen Ausgangssubstanz. Diese wird nie gemischt. Aber hin und wieder verordnen auch Homöopathen, je nach Indikation, mal ein Komplexmittel.
Was sind die Vorteile von homöopathischen Komplexmitteln?
Die Anzahl der Komplexmittel ist überschaubar, im Gegensatz zur Klassischen Homöopathie, wo es Tausende Einzelmittel mit kompliziert klingenden Namen gibt. Ausserdem steht auf der Verpackung von Komplexmitteln, wogegen sie wirken und wie sie eingenommen werden. Vielen Kunden gibt dies Sicherheit.
Homöopathische Mittel sind günstig. Ein Gläschen hält mitunter jahrelang.
Komplexmittel sind zudem unkompliziert in der Drogerie oder Apotheke erhältlich. Man benötigt keinen Termin beim Homöopathen. Hinzu kommt, dass homöopathische Mittel günstig sind. Ein Gläschen mit Globuli oder einer Dilution hält mitunter jahrelang.
Und die Vorteile ihrer Wirkweise?
Durch die Kombination mehrerer Einzelmittel mit unterschiedlichen Potenzen werden nicht nur die Erkrankungen selbst behandelt, sondern auch an der Erkrankung mitbeteiligte Organe. Die verschiedenen Substanzen dienen zusätzlich der Stärkung der allgemeinen körperlichen Konstitution.
Komplex-Homöopathie
Die Komplex-Homöopathie ist eine für sich stehende Weiterentwicklung der Klassischen Homöopathie. Sie geht auf den deutschen Pastor Emanuel Felke zurück, der um 1900 begann, Einzelwirkstoffe der Klassischen Homöopathie zu mischen. Homöopathinnen und Homöopathen in der Schweiz sind meist in Klassischer Homöopathie ausbildet. Im Handel sind jedoch auch Komplexmittel erhältlich, die unter anderem gegen folgende, meist akut auftretende Beschwerden zur Anwendung kommen:
- Erkältungsbeschwerden wie Husten, akute Nasennebenhöhlenentzündungen und Stock- oder Fliess-Schnupfen.
- Blasenentzündungen
- Kopfschmerzen
- Verletzungen
- Magen- und Darmerkrankungen
Wer kauft homöopathische Komplexmittel?
Es sind oft Menschen, die sagen: „Ich habe nun immer Chemie eingenommen, jetzt möchte ich es mal mit Homöopathie versuchen“. Komplexmittel sind ein guter Einstieg in die Homöopathie.
Gibt es auch Nachteile?
Komplexmittel wirken nicht so punktgenau wie ein präzis abgestimmtes homöopathisches Einzelmittel. Auch bei chronischen Erkrankungen kann die Klassische Homöopathie meist mehr bewirken.
Weshalb?
Kommt eine Person in die Drogerie und beschreibt ihre Beschwerden, so verlasse ich mich bei der Wahl des Mittels auf diese kurze Beschreibung. Behandle ich eine Patientin hingegen in der Praxis, werden die Beschwerden aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.
Es sind Hunderte von Fragen, die ich stelle, und auf deren Basis ich dann das homöopathische Einzelmittel wähle.
Wie in einem Film wird das Leben bis zur Geburt zurückgespult. Welche Erkrankungen und Verletzungen hat die Patientin durchgemacht? Woran litten Vater oder Mutter? Es sind Hunderte von Fragen, die ich stelle, und auf deren Basis ich dann das homöopathische Einzelmittel wähle. Die Behandlung geht viel tiefer als bei einem „Grüezi, ich hätte gerne etwas gegen Nasennebenhöhlenentzündung“.
Lassen sich auch homöopathische Einzelmittel für die Selbstmedikation anwenden?
Ja. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Kunden mit einem Komplexmittel in die Homöopathie einsteigen. Wenn sie damit zufrieden waren, schaffen sie sich eine homöopathische Hausapotheke an. Sie besteht aus homöopathischen Einzelmitteln sowie einem sogenannten Finder. Also, einem Ratgeber, wie sie rasch das beste Mittel finden. Wenn die Beschwerden damit nicht weggehen, oder bei schweren oder wiederkehrenden Erkrankungen, wenden sie sich an den Homöopathen oder die Homöopathin.
Sie arbeiten seit über 40 Jahren als Homöopath, Drogist und Naturheilpraktiker. Was hat sich in dieser Zeit gewandelt?
Dank des Internets sind die Menschen besser informiert, auch über Homöopathie. Gleichzeitig ist homöopathisches Wissen, für das ich früher komisch angeschaut wurde, heute Allgemeingut.
Die Homöopathie ist heute etabliert.
Hat sich jemand verletzt, fragt er oder sie direkt nach Arnika. Das war vor vierzig Jahren noch kaum denkbar. Die Naturheilpraktik wie auch die Homöopathie sind heute etabliert.
Weiterführende Literatur
- Würtenberger S, Boos J, Schumacher-Stimpfl A, Beck-Dreschel A. Anwendungspraxis homöopathischer Komplexmittel: Auswertung einer Therapeutenbefragung. EHK. 2019 Jun;68(03):124–31.
- Danesch U. Begleittherapie von Asthma bronchiale mit dem homöopathischen Komplexmittel Asthmavowen®-N: Verbesserung von Asthmasymptomen und Asthma-assoziierten vegetativen Symptomen. Komplementäre und Integrative Medizin. 2008 Jan 2;49(1):47–52.
- Merz-Pilligrath E. Homöopathische Komplexmittel. Erfahrungsheilkunde. 2007 Mar;56(3):150–2.
Fotos: Tanya Karrer, Pixabay, zvg
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