Medizinal Cannabis gibt es in der Schweiz bis jetzt nur mit einer Ausnahmebewilligung. Das Bundesamt für Gesundheit kann schwerkranken Patienten erlauben, Cannabis in Form von Tropfen einzunehmen.
Künftig sollen solche Gesuche nicht mehr nötig sein: Der St. Galler CVP-Nationalrat Thomas Ammann fordert, dass Ärzte den Patienten Medizinal Cannabis direkt per Rezept verschreiben dürfen. Nationalräte von links bis rechts haben seine Initiative unterschrieben. Der Bundesrat wird voraussichtlich diesen Sommer den Vernehmlassungsentwurf für das neue Gesetz präsentieren.
Herr Ammann, warum haben Sie diese parlamentarische Initiative gestartet?
Thomas Ammann: Ich bin vor zwei Jahren selbst an Darmkrebs erkrankt. Die Motivation für die Initiative kam, als ich im Schweizer Fernsehen in einer Reportage sah, wie hoch der Hürdenlauf für einen kranken Menschen ist, legal Medizinal Cannabis als schmerzlinderndes Medikament zu bekommen. Wenn man selbst persönlich von einer Krankheit betroffen ist, dann ist man eher sensibilisiert für gewisse Themen.
Ich nahm diese Problematik auf und dachte, ich will an dieser Situation etwas zum Guten verändern. Kranke Menschen sollen nicht in die Illegalität getrieben werden. Ich bin von Haus aus nicht der Gesundheitspolitiker, ich bin in der Verkehrskommission. Aber ich habe mich nach meinem Entschluss schlau gemacht und reichte die Initiative in der Frühlingssession 2017 ein.
Mussten Sie schon selbst einmal auf Medizinal Cannabis zurückgreifen?
Nein, ich habe noch nie Medizinal Cannabis eingenommen. Zum Glück hatte ich bis dato noch keine so grossen, langanhaltenden Schmerzen, die dies erfordert hätten. Ein Kollege, der leider mittlerweile verstorben ist, war jedoch um Medizinal Cannabis sehr froh. Er hatte die gleiche Diagnose wie ich und litt an sehr starken Rückenschmerzen. Dieser Kollege war halb wahnsinnig geworden wegen seinen Schmerzen. Nichts konnte ihm mehr helfen; nur Medizinal Cannabis brachte Linderung.
Was muss sich am Status Quo von Medizinal Cannabis alles ändern?
Jeder Arzt sollte selbstständig aufgrund seines Wissens und Erfahrung entscheiden können, ob er dem Patienten Medizinal Cannabis verschreibt oder nicht. Es macht doch keinen Sinn, dass Mitarbeiter des Bundesamtes für Gesundheit, die den Patienten gar nicht kennen, sondern lediglich Papier zu Gesicht kriegen, darüber entscheiden.
Für mich ist es auch eine Bevormundung der Ärztinnen und Ärzte.
Diese Ausnahmebewilligungen sind aufwendig, das habe ich mir auch von meinen Ärzten bestätigen lassen. Es handelt sich hier um ausformulierte, seitenlange Berichte. Für mich ist es auch eine Bevormundung der Ärztinnen und Ärzte. Man traut ihnen nicht. Diese Sonderbewilligungen sind reine, unnötige Bürokratie, die nur kostet.
Die Schweiz hat das gleiche Einheitsabkommen über Betäubungsmittel wie Deutschland unterzeichnet. In diesem internationalen Abkommen ist die Verwendung von Drogen zu medizinischen Zwecken grundsätzlich nicht verboten. Das ist doch der springende Punkt. Ich vertraue auf unseren Staat und sage immer, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Dass Medizinal Cannabis wirkt, wissen wir. Das müssen wir nicht mehr diskutieren. Inzwischen ist in Deutschland Medizinal Cannabis erlaubt. Das sollte doch in der Schweiz auch möglich sein.
Seit 2017 ist in Deutschland die medizinische Verschreibung von Cannabis legal. Ich las von einer Betroffenen, dass es trotzdem ein paar Probleme gibt. Die Preise für Medizinal Cannabis sind gestiegen, die Qualität ist nicht in jedem Fall gut, es gibt Lieferengpässe. Und die Krankenkassen zahlen nicht in jedem Fall. Der Vernehmlassungsentwurf kommt diesen Sommer. Was muss die Schweiz von Anfang an besser machen, dass eben genau solche Dinge nicht passieren?
Die Idee wäre auch, dass man bei uns Cannabis legal anpflanzen kann. Es ist bereits diesbezüglich ein gewisses unternehmerisches Interesse vorhanden. Das gilt auch für die Verarbeitung und den Vertrieb. Die Qualität wäre mit einem Swiss Label sicher gesichert.
Ich habe die Erwartung, dass Medizinal Cannabis ein krankenkassenpflichtiges Medikament wird.
Logisch, der Preis wird ein Thema werden. Das Medikament wird nicht gratis sein. Aber wenn man beachtet, was Medikamente sonst kosten, dann wird Medizinal Cannabis preislich sicher in einem vernünftigen Rahmen zur Verfügung stehen. Natürlich habe ich die Erwartung, dass Medizinal Cannabis ein krankenkassenpflichtiges Medikament wird.
Medizinal Cannabis kostet einen regelmässigen Anwender von 250 bis über 1’000 Franken im Monat. Das heisst, der Bezug dieses Medikamentes kann schon zu einer finanziellen Belastung werden.
Aber wenn Sie denken was eine Chemotherapie kostet, dann ist dieser Betrag im Vergleich nichts. Ich musste schon selbst Strahlenmittel nehmen, da kostete ein Medikament ungefähr 15’000 Franken. Diese ganze Bürokratie bei Medizinal Cannabis hat bis jetzt ja auch etwas gekostet. Wir sparen hoffentlich mit dem neuen Gesetz auch Kosten ein: Weniger Bürokratie, tiefere Gesundheitskosten.
Es gibt in der Schweiz viele Menschen, die gut abgesichert sind, die finanziell vielleicht auch etwas auf die Seite gelegt haben. Aber es gibt auch Menschen, die diese wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht haben. In unserem Land, mit diesem Wohlstand, sollten wir solidarisch für die Gemeinschaft handeln.
Das Gesetz soll diesen Sommer kommen. Für einen Betroffenen eine lange Zeit…
Das stimmt. Aber wir haben nun einmal das Zweikammer-System und der Weg durch die Vernehmlassung. Man muss und will Lösungen finden, die schlussendlich mehrheitsfähig sind. Die Sonderbewilligung für Medizinal Cannabis zu erhalten, ging auch nicht immer Ratzfatz, sondern dauerte manchmal Monate.
Ab nächsten Sommer haben wir hoffentlich ein gutes Gesetz, das alles abdeckt.
Wir müssen zuversichtlich sein, dass wir eine Veränderung schaffen, die eine Lösung bringt, die längerfristig Bestand hat. Ich bin glücklich, wenn wir es bis diesen Sommer schaffen. Meine Erwartung ist, dass wir ab nächsten Sommer ein gutes Gesetz haben, das alles abdeckt.
Bis 1951 war Medizinal Cannabis in der Schweiz legal. Bis in den 70er Jahren haben die Apotheken das Medikament noch abgegeben. Was glauben Sie, warum wurde das Mittel plötzlich verboten?
Grundsätzlich ist und bleibt es für mich unverständlich, warum Medizinal Cannabis plötzlich in der Schweiz verboten war und ist. Ich weiss, dass die Pharmaindustrie nicht wirklich Interesse an diesem Medikament hat. Mit Medizinal Cannabis kann man schon Geld verdienen, aber man kann nicht Millionen verdienen. Es braucht bei Medizinal Cannabis keine teure Forschung.
Nach dem Einreichen meiner Initiative habe ich viele Mails von Betroffenen, die mir danken, erhalten. Das hat mir gezeigt, dass wir nun wieder auf dem richtigen Weg sind. Cannabis wurde als Suchtmittel und wegen des Missbrauchs verteufelt. In Form von Medizinal Cannabis hat es aber auch seine guten Seiten.
CVP-Politiker Thomas Ammann ist seit 2015 im Nationalrat. Der 54-Jährige aus Rüthi ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. Er nennt Politik als eines seiner Hobbys.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Jede noch so kleine Spende hilft, künftige Beiträge zu ermöglichen. Herzlichen Dank!