Der Oktober gilt weltweit als Aufklärungsmonat für Brustkrebs – sein Symbol ist die rosa Schleife. In der Schweiz erkranken jährlich 6200 Frauen am sogenannten Mammakarzinom. Der Heilungserfolg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dank moderner Therapien deutlich verbessert – eine wichtige Rolle kommt der Heilpflanze Mistel zu.
von Andreas Krebs
Viele Krebspatientinnen leiden unter den Folgen der konventionellen Krebstherapien. Sie klagen unter anderem über Fatigue, Schlafstörungen, Depressionen und Appetitlosigkeit. Hier kommt die Misteltherapie zum Zug: Sie kann die Nebenwirkungen lindern und den Therapieverlauf verbessern. «Generell wird die Mistel ausgezeichnet vertragen und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei Krebspatientinnen bei. In aussergewöhnlichen Fällen können allerdings allergische Reaktionen auftreten. Dann muss man die Mistel absetzen», sagt Priv.-Doz. Dr. med. Daniela Paepke (Bild), Oberärztin am Zentrum für integrative, komplementäre Medizin & TCM im Spital Zollikerberg.
Weniger Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Schmerzen
Die Mistel (Viscum album L.) ist ein Halbschmarotzer und gehört zur Familie der Sandelholzgewächse. Sie wurzelt nicht in der Erde, sondern wächst auf Bäumen. Von ihnen bezieht sie Wasser und Nährstoffe. Deshalb ist die Mistel stark von ihrem Wirtsbaum geprägt, nimmt sie doch spezifische Inhaltsstoffe von ihm auf. Dreizehn Wirtsbäume werden bisher in der Krebstherapie genutzt.
Die Mistel ist die am gründlichsten erforschte Pflanze in der Komplementärmedizin.
«Die Mistel ist die am gründlichsten erforschte Pflanze in der Komplementärmedizin», sagt Paepke. Zahlreiche Studien und Metaanalysen würden die gute Verträglichkeit und Wirksamkeit bestätigen; ebenso, dass die Wirkung der klassischen Therapien nicht beeinträchtigt wird. Paepke beobachtet an ihren Patientinnen, dass sie weniger an Müdigkeit, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit leiden. «Oft verringern sich auch Schmerzen, und die Betroffenen haben mehr Energie.» Darüber hinaus wirkt eine Misteltherapie durchwärmend. «Das empfinden viele Krebskranke als besonders angenehm, denn sie frieren oft.»
Wie die Mistel wirkt: 600 pharmakologisch aktive Stoffe

Seit der Antike als Heilpflanze geschätzt und heute insbesondere in der Krebstherapie im Einsatz: Die Mistel.
Studien belegen, dass Mistelextrakte das Immunsystem anregen, Tumorzellen schädigen und die Erbsubstanz schützen können. Zurückzuführen ist das auf ein komplexes Wirkstoffgemisch: Mistelextrakte enthalten rund 600 pharmakologisch aktive Stoffe, darunter Mistellektine und Visotoxine, die in Laborversuchen das Wachstum von Krebszellen hemmen oder sie gar abtöten können. Zudem stimulieren sie das Immunsystem. Ihre Konzentration variiert je nach Unterart der Mistel sowie nach Jahreszeit und Wirtsbaum, auf dem sie wächst.
Möglichst früh mit der Misteltherapie beginnen
Der Mistelextrakt wird mittels Injektion verabreicht. Dabei wird, ähnlich wie bei einer Insulininjektion, in die Unterhaut gespritzt (subkutan), in den Bauch oder ins Bein. «Ich appliziere die erste Gabe immer in meiner Sprechstunde, um zu sehen, wie die Patientin reagiert, und um ihr zu zeigen, wie man die Ampulle aufzieht und spritzt.
Die Misteltherapie als Unterstützung bei der Krebsbehandlung ist in der Grundversicherung verankert und wird von dieser erstattet.
Nachdem Patientinnen angeleitet wurden, führen sie das selbstständig zwei- bis dreimal pro Woche durch», erläutert die Ärztin Daniela Paepke. Idealerweise wird mit einer Misteltherapie so früh wie möglich begonnen. Eine Wirkung tritt erst nach einigen Wochen ein. Die Misteltherapie als Unterstützung bei der Krebsbehandlung ist in der Grundversicherung verankert und wird von dieser erstattet.
Von den Anfängen der Misteltherapie zur modernen Forschung
Schon in der Antike wurde die Mistel als Heilpflanze eingesetzt, bei den keltischen Druiden galt sie gar als Allheilmittel. Anfang des 20. Jahrhunderts sprach Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, in seinen Vorträgen über die Heilkraft der Mistel. Die Ärztin Ita Wegman griff seine Impulse auf und entwickelte daraufhin 1917 zusammen mit dem Apotheker Adolf Hauser das erste Mistelpräparat namens «Iscar». 1935 gründete Ita Wegman in Arlesheim (BL) den Verein für Krebsforschung, der noch heute an der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Integrativen Krebsbehandlung und speziell der Misteltherapie arbeitet.
Gut aufbereitete Patienteninformationen zur Misteltherapie finden Sie auch unter www.mistel-therapie.de
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Buchtipp:
- Dr. med. Daniela Paepke und Anna Cavelius – Beschwerdefrei durch die Krebstherapie. GU Ratgeber Gesundheit, 2018
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Bilder: Anna Tarazevich ― Pexels.com / zVg, Frau Daniela Paepke / Annie Spratt ― Pexels.com
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