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Mit Komplementärmedizin gegen Antibiotikaresistenzen

von Redaktion Millefolia

von Tanya Karrer

Der Dachverband Komplementärmedizin Dakomed führte am 13. November 2019 eine Veranstaltung zum Thema «Reduzierter Antibiotikaeinsatz dank Komplementärmedizin» durch. Es wurde aufgezeigt, wie die integrative Medizin zu den Zielen der Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) des Bundesamts für Gesundheit (BAG) beiträgt.

Synergien von Schul- und Komplementärmedizin

Nationalrätin und Dakomed-Präsidentin Edith Graf-Litscher eröffnete die Veranstaltung mit der Forderung nach vermehrter Zusammenarbeit von Schul- und Komplementärmedizin. Wie befruchtend die Synergien einer solchen Kooperation sind, zeigte sogleich Eric Baars. Der Professor für Anthroposophische Medizin in Leiden, Holland, fördert mit Hochschulforschung die Akzeptanz der Komplementärmedizin in Gesellschaft und Politik. Bisherige Forschungsdaten seien nicht verlässlich, bedauert er, denn gerade für die integrative Medizin würden wenig Forschungsgelder gesprochen. Baars und sein Team bedienten sich deshalb eines einfachen Studiendesigns, um die Datenlage zu verbessern: Sie befragten Allgemeinmediziner mit und ohne Zusatzausbildung in komplementären Heilmethoden zur Verschreibungshäufigkeit von Antibiotika.

Komplementärmediziner verschreiben weniger Antibiotika als Ärzte mit konventioneller Ausbildung.

Prof. Dr. med. Eric Baars fordert mehr Hochschuchulforschung für Komplementärmedizin.

Das Resultat: Komplementär ausgebildete Ärztinnen und Ärzte stellen weniger Rezepte für Antibiotika aus als die Kollegen ohne Zusatzausbildung. Um die Studienergebnisse zu verifizieren, sei aber weitere Forschung wichtig, betont Baars. Er möchte allerdings nicht nur die Forschungsagenda vorantreiben, sondern auch in der Praxis zu einem Umdenken bewegen. Ermöglichen soll dies unter anderem ein online Tool, das Patienten wie Ärzte dabei unterstützt, die jeweils individuell beste Behandlungsmethode bei typischen Beschwerdebildern zu finden. Die App berücksichtigt auch komplementäre Heilmethoden. Noch befindet sich das Tool in der Test-Phase, doch es könnte schon bald die Verschreibungspraxis von Antibiotika revolutionieren.

Pflanzliche Substanzen greifen Krankheitskeime mehrfach an

Die Pflanzenexpertin Beatrix Falch gab konkrete Behandlungstipps.

Antibiotika seien längst nicht immer das beste Mittel, viele Infektionen könnten genauso gut mit Pflanzenwirkstoffen behandelt werden, ermahnt die promovierte Pharmazeutin und Phytotherapeutin Beatrix Falch. In ihrem anschaulichen Vortrag präsentiert sie verschiedene pflanzliche Wirkstoffe für eine Vielzahl von Beschwerden. Im Gegensatz zum Antibiotikum, das nur einen einzigen Wirkstoff enthalte, produzierten Pflanzen nämlich verschiedene Substanzen. Dadurch würden diese, bildlich gesprochen, die Bakterien gleichzeitig an verschiedenen Stellen angreifen. Die Resistenzbildung würde damit schwieriger.

2050 drohen 10 Millionen Tote aufgrund von Antibiotikaresistenzen.

Anders beim Einfach-Angreifer Antibiotikum. Dieser greife das Bakterium stets am selben Ort an, der Keim kann so einfacher einen Schutz dagegen aufbauen und immun werden. Falch fordert, wie ihr Vorredner, ein Umdenken in Bezug auf Antibiotika-Verschreibung und plädiert ebenfalls für mehr Forschung. Schliesslich gäbe es bereits eine Vielzahl von vielversprechenden Hinweisen über die Wirkung von pflanzlichen Substanzen. Diesen müsse nachgegangen werden. Denn werde das Problem der Antibiotika-Resistenzen nicht gelöst, so drohten im Jahr 2050 weltweit 10 Millionen Tote aufgrund von nicht mehr wirksamen Antibiotika.

Prof. Dr. med. Philip Tarr fordert ein Umdenken bei der Antibiotikabgabe.

Umdenken gefordert bei der Verschreibung von Antibiotika

Den nicht sehr reflektierten Umgang mit Antibiotika bei oft harmlosen Infektionen prangert auch Professor Philip Tarr an. Er ist Infektiologe, Spitalhygieniker und Co-Chefarzt der Medizinischen Universitätsklinik des Kantonsspitals Baselland. Noch immer sei der Glaube verbreitet, dass rheumatisches Fieber oder Streptokokken-Angina mit Antibiotika behandelt werden müsste. Der Ausschluss von erkrankten Schülerinnen und Schülern aus der Schule, wenn diese sich keiner Antibiotika-Kur unterzögen, befeuere die Verschreibungshäufigkeit. Nun würden die veralteten Richtlinien endlich angepasst.

Die neuen Erkenntnisse sind noch nicht in allen Köpfen angekommen.

Denn neuere Untersuchungen zeigten, wie Tarr ausführt, dass ein Grossteil der Infektionen auch ohne Antibiotika ausheile. Dasselbe gelte auch für Blasenentzündungen. Noch sind die neuen Erkenntnisse nicht in allen Köpfen angekommen. Tarr interessiert deshalb, wie die Einstellung zu Antibiotika sowohl bei Allgemeinmedizinern als auch bei den Patienten verändert werden kann.

Nationalrätin und Präsidentin des Dakomed: Edith Graf-Litscher

Zum Ende der Veranstaltung weist Edith Graf-Litscher auf die von ihr eingereichte Motion «Gefahr der Antibiotika-Resistenz» hin. Darin fordert sie mehr Forschung in der Komplementärmedizin zugunsten sicherer Antibiotika-Alternativen. Schliesslich sollen auch in Zukunft schwer kranken Patienten wirksame Medikamente zur Verfügung stehen, sowohl aus der Schul- als auch der Komplementmedizin.

Bilder: Tanya Karrer, pixabay.com, zVg


Studien

Baars, Erik W., Eefje Belt-van Zoen, Thomas Breitkreuz, David Martin, Harald Matthes, Tido von Schoen-Angerer, Georg Soldner, u. a. «The Contribution of Complementary and Alternative Medicine to Reduce Antibiotic Use: A Narrative Review of Health Concepts, Prevention, and Treatment Strategies». 2019 – Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine – Wiley Online Library.
Hofmann, Yaël, et al. «Behandlung der Streptokokken-Angina. Zeit für einen Paradigmenwechsel». Swiss Medical Forum 19, Nr. 29–30 (2019): 481–88. https://doi.org/10.4414/smf.2019.08092
Werf, Esther T van der, Lorna J Duncan, Paschen von Flotow, und Erik W Baars. «Do NHS GP Surgeries Employing GPs Additionally Trained in Integrative or Complementary Medicine Have Lower Antibiotic Prescribing Rates? Retrospective Cross-Sectional Analysis of National Primary Care Prescribing Data in England in 2016». BMJ Open 8, Nr. 3 (März 2018): e020488. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2017-020488

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