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Mit Pflanzenkraft gegen unerwünschte Bakterien

von Olaf Müller
Bildmontage von Antibiotika-Pillen und Salbeiblättern

Vom 18. bis 24. November 2024 fand die «World AMR Awareness Week» statt. Zahlreiche Organisationen luden weltweit dazu ein, mehr über den Zusammenhang zwischen Antibiotikaeinsatz und -resistenz zu erfahren. Dabei geht gerne vergessen, dass es pflanzliche Alternativen zum synthetischen Antibiotikum gibt.

von Fabrice Müller

Antibiotikaresistenten verursachen hohe Kosten

Weisse ovale medizinische Tabletten auf blauem Grund.

Weltweit werden noch zu oft Antibiotika eingesetzt.

Ein Antibiotikum ist eine Waffe, die zunehmend abstumpft, je mehr sie gebraucht wird. Der weltweite Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin ist seit der Jahrtausendwende um 48 Prozent gestiegen. Jedes Mal, wenn Antibiotika zum Einsatz kommen, können sich resistente Bakterien bilden und schon vorhandene vermehren, da sie die Einzigen sind, die unter diesen Umständen überleben und wachsen können.

Antibiotikaresistenzen verlängern und verkomplizieren die Behandlung von bakteriellen Infektionen oder verunmöglichen sie sogar in gewissen Fällen. Resistenzen verursachen verlängerte Spitalaufenthalte und auch Todesfälle, und damit höhere Kosten im Gesundheitswesen. Weltweit ist eine Zunahme von Infektionen mit antibiotika-resistenten Bakterien festzustellen.

Die Komplementärmedizin hat traditionell grosse Erfahrung in der sachgerechten und sparsamen Anwendung von Antibiotika.» Dr. med. Gisela Etter Kalberer

Aus diesem Grund empfehlen das Bundesamt für Gesundheit BAG und die Ärztegesellschaften, Antibiotika nur dann einzusetzen, wenn es wirklich angebracht ist. «Gerade die Phytotherapie und die Komplementärmedizin haben traditionell grosse Erfahrung in der sachgerechten und sparsamen Anwendung von Antibiotika», betont Dr. med. Gisela Etter Kalberer, Fachärztin Allgemeine Innere Medizin und Präsidentin der UNION Schweizerischer komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen. Es gebe zahlreiche Hinweise, dass Grundversorgerinnen und -versorger mit einer Weiterbildung in Komplementärmedizin oder Phytotherapie weniger Antibiotika verschreiben als ihre Kolleginnen und Kollegen, sagt die Ärztin.

Arzneipflanzen mit keimtötender Wirkung

Antibiotisch wirkende Pflanzen können in vielen Fällen eine sinnvolle Alternative zu den herkömmlichen antibakteriellen Arzneimitteln sein. Arzneipflanzen mit antibiotischer, also keimtötender Wirkung, besitzen pharmakologisch wirksame Substanzen, die die Vermehrung von Bakterien und Mikroorganismen hemmen oder diese sogar zerstören können. «Pflanzliche Arzneimittel sind Vielstoffgemische und dadurch besonders effektiv, weil die vielen Substanzen gleichzeitig unterschiedliche molekulare Strukturen der Bakterien angreifen können», erklärt Dr. sc. nat. Beatrix Falch, Vizepräsidentin der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie SMGP. «Das macht es den Bakterien fast unmöglich, Resistenzen zu entwickeln.»

Antibakterielle ätherische Öle

Portrait einer Frau mit kurzen dunkelblonden Haaren und Brille

Dr. sc. nat. Beatrix Falch

Wie Beatrix Falch erläutert, sind antibakteriell wirksame Arzneipflanzen zwar milder als chemisch-synthetische Antibiotika, dafür zeige sich ihre Wirkung dank ihrer Vielfalt an Inhaltsstoffen umso vielfältiger und nachhaltiger. Pflanzenteile mit Gerbstoffen, zum Beispiel Blutwurz-Wurzel oder Salbei- und Thymianblätter, wirken aufgrund ihres gerbenden Effekts lokal auf der Haut und Schleimhaut.

Sie verhindern so, dass sich dort Bakterien ansiedeln und in tiefere Hautschichten eindringen können. Dadurch lassen sich unter anderem Bakterien im Mund- und Rachenraum bekämpfen.

Die ätherischen Öle können zum Teil die Resistenzmechanismen der Bakterien aushebeln.» Dr. sc. nat. Beatrix Falch

Druck aus Thomés Buch Pflanzen Deutschlands

Die Wurzel des Blutwurz entfaltet antibiotische Wirkung.

Eine ausgeprägte antibakterielle und auch antientzündliche Wirkung findet man bei den ätherischen Ölen, wie sie etwa in Ingwerwurzelstöcken, Eukalyptus-, Thymian- oder Salbeiblättern enthalten sind, und die besonders bei Atemwegserkrankungen eingesetzt werden. «Die ätherischen Öle können teilweise die Resistenzmechanismen der Bakterien aushebeln, sodass das synthetische Antibiotikum wieder an Wirksamkeit gewinnt. Zudem wird die Kommunikation unter den Bakterien gestört», erklärt Beatrix Falch. Eine antibakterielle Wirkung geht auch von Pflanzen mit Senföl-Glykosiden aus; dazu zählen unter anderem das Kapuzinerkressenkraut und die Meerrettichwurzel. Sie werden unter anderem bei Harnwegsinfekten empfohlen, ihre Wirksamkeit ist mit Studien belegt.

Antibiotika-Resistenzen verhindern

Titelseite Bericht nationale Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR)Jedes Mal, wenn Antibiotika zum Einsatz kommen, können Bakterien eine Resistenz gegen das Arzneimittel entwickeln. Resistente Bakterien erschweren die Behandlung von Infektionen oder können sie sogar verunmöglichen.

Deshalb ist die sachgemässe Anwendung bei Mensch und Tier wichtig, dazu hat der Bund 2015 die nationale Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) verabschiedet. Mit Umfragen ermittelt der Bund alle vier Jahre, wie die Bevölkerung dem Antibiotikagebrauch gegenübersteht. Einige Ergebnisse der «Bevölkerungsumfrage zu Antibiotikaresistenzen» vom November 2024:

  • In den vergangenen 12 Monaten haben 22 Prozent der Befragten Antibiotika eingenommen. Diese Zahl bleibt im Verlaufe der Zeit auf relativ konstantem Niveau.
  • Die Abgabe erfolgte in 94 Prozent der Fälle direkt durch den Arzt / die Ärztin oder nach ärztlicher Verschreibung durch eine Apotheke.
  • Die Hauptgründe für die Einnahme von Antibiotika sind Harnwegsinfekte und chirurgische Eingriffe.

Behandlung mit pflanzlichen Antibiotika möglichst früh einsetzen

Portrait einer Frau mit langen blonden Haaren vor Herbstwald

Dr. med. Gisela Etter Kalberer

Dem Einsatz von antibakteriell wirkenden pflanzlichen Arzneimitteln sind allerdings auch Grenzen gesetzt. «Bei besonders schwerwiegenden Erkrankungen, wie etwa einer bakteriellen Lungenentzündung, oder wenn es der klinische Zustand der Patientin oder des Patienten erfordert, müssen chemisch-synthetische Antibiotika eingesetzt werden», sagt Gisela Etter Kalberer. Antimikrobiell wirkende Arzneipflanzen entfalten ihre grösste Wirkung, wenn sie im Anfangsstadium einer Krankheit, also bei den ersten Symptomen, eingesetzt werden, betont Beatrix Falch.

Arzneipflanzen sind in der Bevölkerung deshalb so beliebt, weil sie besser verträglich sind als herkömmliche Antibiotika.» Dr. med. Gisela Etter Kalberer

Vorbeugend kann ausserdem mit bestimmten pflanzlichen Arzneimitteln das Immunsystem gestärkt werden. Ein weiterer Vorteil: «Arzneipflanzen sind in der Bevölkerung deshalb so beliebt, weil sie besser verträglich sind als herkömmliche Antibiotika, bei denen es zum Beispiel zu Verdauungsstörungen kommen kann», ergänzt Gisela Etter Kalberer. Der frühe Einsatz von antibiotisch und antientzündlich wirkenden Arzneipflanzen, die in der Apotheke oder Drogerie nach ausführlicher Fachberatung erhältlich sind, könne den Arzttermin unnötig machen und dadurch Gesundheitskosten sparen.

Die Bevölkerung ist bereit, Antibiotika zu vermeiden

Patientinnen und Patienten sind sich der Thematik der Antibiotikaresistenzen und der unerwünschten Wirkungen der Antibiotika zunehmend bewusst und deshalb bereit, Antibiotika zu vermeiden, wo es sinnvoll ist. Dies zeigt der aktuelle «Studienbericht zum Antibiotikagebrauch und Wissensstand der Schweizer Bevölkerung» (siehe auch Infobox): 81 Prozent der Befragten wissen, dass eine unnötige Einnahme von Antibiotika deren Wirksamkeit verringern kann.

Ärzte-Schreibtisch mit klassischen mit Naturmedizin und klassischen Medikamenten

Die Schweizer Bevölkerung wünscht ein Miteinander von Komplementärheilkunde und Schulmedizin.

Auch die Akzeptanz der Phytotherapie und Komplementärmedizin ist in der Bevölkerung hoch. Inwieweit phytotherapeutische Behandlungsstrategien, die mit klinischen Studien belegt sind, in den Richtlinien und behördlichen Empfehlungen Einzug halten, ist laut Beatrix Falch oft ein gesundheitspolitischer und kein wissenschaftlich begründeter Entscheid.


Die Komplementärmedizin leistet einen wichtigen, anerkannten Beitrag zur Reduktion des Antibiotikaverbrauchs in der Schweiz. Lesen Sie dazu auch folgende Millefolia-Artikel:


Bilder: Bildmontage Redaktion Millefolia mit Bildern vonManuel Fleig  und Freepik.com / Beatrix Falch ― zVg / Thomé – Flora von Deutschland ― www.wikipedia.com / Gisela Etter ― zVg / Redaktion Millefolia ― AI-Tool von Freepik.com / Bundesamt für Gesundheit BAG


Pflanzliche Arzneimittel statt Antibiotika?

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1 Kommentar

Brigitte Waser 3. Dezember 2024 - 18:03

Sehr wichtiges Thema…. extrem viel Text ….leider findet man die wirksamen Heilpflanzen fast nicht darin. Könnt ihr bitte eine Tabelle machen welche Pflanze wann und wo und wie auch von Laien eingesetzt werden können.
Besten Dank

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