Von Peter Wäch
Der Garten in Wädenswil (ZH) für fernöstliche Heilpflanzen, die bei der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet werden, ist rund 1000 Quadratmeter gross. 2016 startete das Gemeinschaftsprojekt des TCM Fachverbands Schweiz und der ZHAW zu Lern- und Forschungszwecken. Dank Partnerschaften und durch die grosse Unterstützung vom Dr. Noyer TCM Förderfonds ist das kleine Paradies für Patientinnen und Patienten sowie interessierte Besucherinnen und Besucher zugänglich. Laut Co-Leiterin Nina Zhao-Seiler soll der Garten für natürliche Heilmethoden sensibilisieren und dazu beitragen, die Gewinnung von pflanzlichen Arzneien der TCM besser zu verstehen.
Wer den TCM-Garten betritt, merkt sofort, dass er anders ist als herkömmliche Anlagen und das liegt nicht nur daran, dass die dort wachsenden Pflanzen den meisten unbekannt sind. Alle Gewächse sind entsprechend ihren ökologischen Ansprüchen, wie zum Beispiel ein Sumpfgebiet oder ein Waldboden, geordnet. Aber in Lebensbereichen, die sich z.B. in den Elementen Erde, Holz, Metall und Wasser wiederfinden, unterteilt. Die sorgfältig gestaltete Umgebung nach dem Prinzip des «Narrative Environment» hat erzählenden Charakter, Besucher erfahren die Pflanzenwelt mit den Augen sowie ihrem Tast- und Geruchssinn. Nina Zhao-Seiler, die zu einem vierköpfigen Team gehört, erklärt: «Es ist auch ein Garten des Gleichgewichts, in dem sich Yin und Yang die Balance halten».
Alle Gewächse sind entsprechend ihren ökologischen Ansprüchen wie zum Beispiel ein Sumpfgebiet oder ein Waldboden, geordnet.
Die chinesische Medizin hat laut wissenschaftlichen Quellen ihren Ursprung vor ungefähr 2000 Jahren, und obschon die TCM mittlerweile in der übrigen Welt hohe Anerkennung hat, werden die verwendeten Pflanzen fast ausschliesslich aus dem Reich der Mitte importiert, so auch von der Schweiz. Nina Zhao-Seiler weiss: «Die optimale Pflege erfordert pflanzenspezifisches Know-how sowie viel Handarbeit. Ersteres fehlt bei uns und letzteres ist in unseren Breitengraden sehr teuer».
Am Klima liegt es nicht
Co-Leiterin Zhao-Seiler unternahm mehr als ein Dutzend geführte Kräuterreisen nach China und sagt: «Da die am häufigsten verwendeten Pflanzen unter ähnlichen klimatischen Bedingungen wie hierzulande gedeihen, gab es immer wieder Bestrebungen, die wertvollen Gewächse bei uns zu produzieren. Bis dato konnte sich niemand etablieren». In Wädenswil sind es 120 Pflanzenarten, die man bewundern kann, 200 sollen es noch werden.
In Wädenswil sind es 120 Pflanzenarten, die man bewundern kann, 200 sollen es noch werden.
In Zeiten der Pandemie kam die TCM unter Druck, da viele davon ausgehen, dass gefährdete Tierarten für Arzneimittel verwendet werden. Nina Zhao-Seiler kann diese Befürchtungen entkräften, wenn sie sagt: «In China ist es strikte verboten bedrohte Tierarten für medizinische Zwecke zu töten. Es gibt leider einen grossen Schwarzmarkt, der noch nicht genügend kontrolliert wird. Für andere Länder wie die Schweiz sind die Hürden ohnehin hoch».
Jede Pflanze hat ihren eigenen «Charakter»
Um die TCM-Formeln besser zu verstehen, gibt es in Wädenswil viel Anschauungsmaterial, das zu einem kleinen Teil auch in einem Gewächshaus zu finden ist. Nina Zhao-Seiler erklärt, dass in China jede Pflanze ihren Charakter, also ihre eigene Energie und Temperatur hat. Die Frage lautet: Ist sie süss oder bitter, wärmend oder kühlend, ausleitend und klärend, stützend und stärkend, öffnend oder zusammenziehend? Angehende Apothekerinnen und Apotheker und Therapeutinnen oder Therapeuten erfahren im TCM-Garten vor Ort, wie der Stoff für ihre Rezepturen wächst.
TCM-Garten in Wädenswil
Der Garten mit über 100 Arzneipflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin befindet sich auf dem Gelände der ZHAW in Wädenswil und ist öffentlich zugänglich.
Der richtige Mix bei Long-Covid
Nina Zhao-Seiler ist TCM-Therapeutin und sie weist darauf hin, dass es in dieser Lehre nicht die eine Pflanze gibt, die ein Leiden lindert, es ist immer eine Rezeptur aus verschiedenen Trägern. Derzeit behandelt Zhao-Seiler auch Menschen, die nach einer Corona-Erkrankung eine Long-Covid-Symptomatik aufweisen. «Bei diesem Krankheitsbild gibt es zwei Haupttendenzen», so die Fachfrau, «die eine Tendenz zeigt sich mit einem erschöpften Atmungssystems mit geschwächtem Kreislauf, bei der anderen treten Störungen des Verdauungssystems und ebenfalls Erschöpfungszeichen auf».
Wir haben keine invasiven Pflanzen, die den hiesigen Bestand gefährden.
Der TCM-Garten in Wädenswil ist eine eigene, aber nicht geschlossene Welt. Eine durchlässige Hecke trennt und verbindet das Kleinod und seine Umgebung. Die Verbundenheit ist erwünscht. Die Frage, ob es zu «Fremdbestäubungen» einheimischer Pflanzenarten kommt, bejaht Nina Zhao-Seiler, gibt aber gleichzeitig Entwarnung: «Wir haben keine invasiven Pflanzen, die den hiesigen Bestand gefährden». In der traditionellen chinesischen Medizin kommen 300 bis 500 Pflanzen regelmässig zum Einsatz. Der TCM-Garten mit seinen 120 Arten und mit all seinen Aspekten bietet bei der Suche nach Ausgeglichenheit eine spannende Anschauung für Kenner und Laien.
Fotos: zvg
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