Von Fabrice Müller
Bei der Selbstheilung sind Körper, Geist und Seele gleichermassen im Spiel. Die Komplementärmedizin setzt bewusst auf die selbstregulierenden Kräfte des Menschen, wie Ursula Wolf, Professorin und Direktorin des Instituts für Komplementäre und Integrative Medizin IKIM der Universität Bern, erklärt.
Was verstehen Sie unter Selbstheilung?
Prof. Ursula Wolf: Es gibt keine einheitliche Definition von Selbstheilung. Ich betrachte sie als Fähigkeit des Menschen, die gesunde Ordnung im Organismus, das heisst im ganzen Menschen, zu erhalten und wiederherzustellen. Alle verfügen über diese Fähigkeit, denken wir zum Beispiel an die Wundheilung oder die Immunabwehr. Auch auf der seelischen Ebene gibt es Selbstheilungen, beispielsweise nach einer seelischen Verletzung, indem man ein Thema verarbeitet.
Wodurch kann eine solche Selbstheilung ausgelöst werden?
Bei einer Schnittwunde reagiert der Organismus etwa physiologisch mit der Blutgerinnung. Dabei wird aber die Selbstheilung durch etwas Übergeordnetes gelenkt, orchestriert. In den Fachrichtungen der Komplementärmedizin spricht man in der Anthroposophischen Medizin von der Ich-Organisation, in der Traditionellen Chinesischen Medizin von Qi und Tao, in der Klassischen Homöopathie von Lebenskraft.
Die Selbstheilung wird ja gerne mit dem Placebo-Effekt in Verbindung gebracht. Stimmt dieser Vergleich aus Ihrer Sicht?
Selbstheilung ist nicht gleich Placebo. Die Selbstheilung findet permanent statt. Der Placebo-Effekt basiert auf einer Erwartung, also auf etwas Geistigem. Der Placebo-Effekt kann aber die Selbstheilung mit einer entsprechend positiven Erwartung unterstützen.
Selbstheilung ist nicht gleich Placebo.
Für welche Symptome eignet sich die Selbstheilung? Wo gibt es Grenzen?
Die Selbstheilung wirkt bei allen Krankheiten, weil der Organismus permanent damit beschäftigt ist, sich im Gleichgewicht zu halten. Das ist ein ständiger Prozess. Doch es gibt Grenzen, bei denen die Selbstheilungskräfte nicht mehr ausreichen – beispielsweise, wenn ein Organ zu stark geschädigt ist oder bei älteren Menschen die Lebenskräfte nachlassen. Für die Selbstheilung braucht es das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele.
Wie kann die Selbstheilung aktiviert werden?
Die Selbstheilung ist ein zentraler Ansatz in allen Methoden der Komplementärmedizin. Doch wie funktioniert sie?
Lesen Sie in Teil 1 des Artikels: «Wie kann die Selbstheilung aktiviert werden?» mehr darüber.
Welche Bedingungen müssen für eine Selbstheilung erfüllt sein?
Werden die Selbstheilungskräfte blockiert oder überfordert, etwa durch falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, Schlaf oder aufgrund negativer Gefühle, kann sich der Organismus nicht mehr ausreichend selbst regulieren. Wer sich hingegen für Veränderungen offen zeigt (Geist), eine positive Lebenseinstellung pflegt (Seele) und gesund lebt (Körper), unterstützt dadurch die Selbstheilungskräfte und lässt auch sogenannte Endorphine oder «Glückshormone» ausschütten.
In welchen komplementärmedizinischen Methoden spielt die Selbstheilung eine besonders wichtige Rolle?
Grundsätzlich eignet sich die Komplementärmedizin, weil sie Körper, Seele und Geist einbezieht, am besten dafür, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Grundsätzlich eignet sich die Komplementärmedizin, weil sie Körper, Seele und Geist mit einbezieht, am besten dafür, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Die Methoden wie Klassische Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin TCM oder die anthroposophische Medizin wirken nicht nur über das Arzneimittel, sondern je nach Disziplin zudem über Bewegungstherapien, Ernährung, Kunsttherapie, Biografiearbeit. Mittlerweile bewegt sich auch die klassische Medizin in diese Richtung, indem sie mit den sogenannten «Mind-Body»-Techniken arbeitet. Ursprünglich stammen diese Methoden aus dem Zen-Buddhismus.
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Wie kann die Selbstheilung aktiviert werden?
Bilder: Universität Bern, Unsplash
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Als eidg. dipl. Craniosacral Therapeutin schreibe – und arbeite ich vor allem – genau in diesem Bereich: Salutogenese – die Orientierung am Gesunden im Menschen während seines Heilungsprozesses – Aktivierung der Selbstheilungskräfte spielen in der Craniosacral Therapie eine sehr wichtige Rolle und dieser Beitrag ist ausserordentlich kostbar – vielen Dank für Prof. Dr. Wolf an Sie und Ihr Institut für Komplementäre und Integrative Medizin, Universität Bern. Herzliche Grüsse Angelika Cornels «www.cranio-lebt.com» Praxis für Biodynamische Craniosacral Therapie, Bolligen (EMR ZSR-Nr. 0589863)