Startseite BerichtEine Medizin für alle – Komplementärmedizin bleibt in der Grundversicherung

Eine Medizin für alle – Komplementärmedizin bleibt in der Grundversicherung

von Olaf Müller
Bild aus der Froschperspektive zeigt Menschen, die solidarisch ihre Hände aufeinanderlegen

Ärztliche Leistungen der Komplementärmedizin werden weiterhin von der Krankenkassen-Grundversicherung bezahlt. Ein politischer Vorstoss, der dies ändern wollte, hatte im Ständerat keine Chance. Der Ständerat sorgt mit seinem Entscheid dafür, dass wirksame, natürliche und günstige Methoden der Komplementärmedizin weiterhin allen Personen zur Verfügung stehen.

von Millefolia-Redaktor Lukas Fuhrer

Die Grundversicherung bleibt solidarisch

Der Ständerat hat am Donnerstag, 12. Juni 2025, ohne Diskussion eine Motion des Walliser Nationalrats Philippe Nantermod (FDP) abgelehnt, die das Aus für das Solidaritätsprinzip der Krankenkassen-Grundversicherung bedeutet hätte. Nantermod hatte gefordert, dass ärztliche komplementärmedizinische Behandlungen nicht mehr wie bisher automatisch durch die Grundversicherung gedeckt wären, sondern nur wahlweise. Versicherte hätten sich also individuell für oder gegen die Deckung entscheiden müssen, was dem Solidaritätsprinzip des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung KVG widerspricht.

Dass die Versicherungsnehmenden solidarisch für alle Leistungen der Grundversicherung einzahlen, auch wenn sie sie nicht selbst beziehen, gewährleistet die medizinische Gleichbehandlung: Nicht alle Menschen können sich eine Zusatzversicherung leisten, kranke und alte Menschen sind sogar vom Abschluss einer Zusatzversicherung ausgeschlossen.

Welche Leistungen übernimmt die Grundversicherung?

Ein gebundener Strauss Calendula-HeilpflanzenDie obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der ärztlichen Leistungen der Akupunktur, anthroposophischen Medizin, Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin, klassischen Homöopathie und Phytotherapie. Alle ärztlichen komplementärmedizinischen Leistungen können nur von Ärztinnen und Ärzten abgerechnet werden, die über einen Facharzttitel und eine komplementärmedizinische Weiterbildung verfügen.

Komplementärmedizin als Vehikel genutzt

An einem sonnigen Tag aufgenommenes Portrait einer lächelnden Frau mit braunem HaarDie Co-Präsidentin des Dachverbands Komplementärmedizin und Ständerätin Franziska Roth (SP / SO) ist erleichtert, dass der Ständerat am Solidaritätsprinzip festhält. «Wir vermuten, dass die Komplementärmedizin als Vehikel hätte benutzt werden sollen, um das Solidaritätsprinzip der Grundversicherung auszuhöhlen. Der Vorstoss hätte Tür und Tor geöffnet, jede beliebige andere medizinische Leistung in der Grundversicherung einer Wahlfreiheit zu unterstellen», sagt Franziska Roth.

Der Motionär hatte argumentiert, dass bei gewissen komplementärmedizinischen Methoden ausreichende wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege fehlten und sie «nur» aufgrund des sogenannten Vertrauensprinzips durch die Grundversicherung rückvergütet würden. Nun ist es aber so, dass alle medizinischen Leistungen, die Ärztinnen und Ärzte zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten erbringen, dem Vertrauensprinzip unterstellt sind (Quelle: Bundesamt für Gesundheit, BAG, 2016).

Der Vorstoss hätte Tür und Tor geöffnet, jede beliebige andere medizinische Leistung in der Grundversicherung einer Wahlfreiheit zu unterstellen.»  Franziska Roth, Co-Präsidentin Dakomed

Das Bundesamt für Gesundheit vertraut darauf, dass Ärztinnen und Ärzte nur notwendige, wirksame und wirtschaftliche Leistungen erbringen, die sie aufgrund ihres Fachwissens und ihrer Praxiserfahrung als geeignet betrachten.

Ihrer Expertise und Erfahrung kommt hier eine zentrale Rolle zu, da eben gerade nicht für jede Intervention ein streng wissenschaftlicher Beweis vorliegt. Auf Stufe Verordnung ist geregelt, dass und wie die ärztlichen Methoden der Komplementärmedizin den Nachweis erbringen müssen (Art. 35a KVV).

Die Gesundheitsministerin steht hinter der Komplementärmedizin

Die Schweizer Gesundheitsministerin Elisabeth Baume Schneider hört einer Parlamentsdebatte aufmerksam zu

Für Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider gehört die ärztliche Komplementärmedizin in die Grundversicherung.

Die Annahme der Motion Nantermod hätte also nicht nur das Solidaritätsprinzip der Grundversicherung, sondern auch das Vertrauensprinzip infrage gestellt. Dabei ist dieses ein wesentliches Element der schweizerischen Krankenversicherung, da es eine effiziente und kostengünstige Versorgung ermöglicht. Der Sprecher der vorberatenden Kommission Hannes Germann (SVP / SH) sowie die anwesende Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider empfahlen in der Ständeratssitzung vom 12. Juni 2025 den Vorstoss auch klar zur Ablehnung.

Sie verwiesen auf das Versicherungsobligatorium und darauf, dass der Anteil der komple­men­tär­­medi­zini­schen Leistungen in der Grund­versicherung mit 18 Millionen Franken im Jahr verschwindend klein ist. Das wichtigste Argument aber, das beide vorbrachten: Die Bevölkerung will die Komplementärmedizin in der Grundversicherung, das hat sie 2009 an der Urne mit 67 Prozent Ja-Stimmen deutlich gezeigt.

Politisch am Ball für die Komplementärmedizin 

Die Titelseite des französischen Millefolia-Bulletins Nummer 41 mit dem Interview von Prof. Rodondi.Der Dachverband Komplementärmedizin, Herausgeber von Millefolia.ch, hat die Motion Nantermod politisch vehement bekämpft und die Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit den wichtigsten Argumenten für die Komplementärmedizin in der Grundversicherung versorgt. Die Verankerung der Komplementärmedizin im Schweizer Gesundheitssystem benötigt stetiges politisches Engagement – über die aktuellen Anstrengungen des Dakomed halten wir Sie auf Millefolia.ch, aber auch in unserem Millefolia-Bulletin auf dem Laufenden. Abonnieren Sie hier kostenlos das Bulletin (jährlich zwei Ausgaben).

Die Bevölkerung will Komplementärmedizin

Die Übernahme der ärztlichen Komplementärmedizin durch die Grundversicherung geht auf einen Volksentscheid von 2009 zurück. In den vergangenen Jahren hat sich die Komplementärmedizin zu einem wichtigen Pfeiler der Grundversorgung entwickelt: Zwei von drei Personen in der Schweiz geben heute an, Komplementärmedizin zu nutzen, das zeigt die Studie «KAM-Barometer 2024», die auch die nichtärztlichen Therapien berücksichtigt, die in den Zuständigkeitsbereich der Zusatzversicherungen fallen.

  • Komplementärmedizin hilft Kosten zu sparen

Ärztliche Komplementärmedizin ist eine kostengünstige Medizin. Ihre Kosten in der Grundversicherung betrugen im Jahr 2023 CHF 17.69 Mio. Pro versicherter Person entspricht das Kosten von CHF 1.97 pro Jahr – auf die monatliche Krankenkassenprämie macht das 16 Rappen aus (Quelle: BAG 2023, Datei KV216N im Ordner T 2).

Komplementärmedizinisch tätige Ärz­tinnen und Ärzte verbringen mehr Zeit mit ihren Patientinnen und Patienten, der Mehraufwand wird durch weniger verschriebene konventionelle Arzneimittel und weniger Diagnostik (z. B. Röntgen und Labor) kompensiert (Quelle: PEK-Bericht, 2005, S. 40).

  • Die Wirksamkeit der Komplementärmedizin ist belegt

Der Wirksamkeitsnachweis ist bei zahlreichen komplementärmedizinischen Leistungen erbracht, wenn man die vom Gesetzgeber erforderlichen und auf Verordnungsstufe in Art. 35 KVV festgelegten Kriterien anwendet. Die entsprechenden Studien und Forschungsergebnisse dringen zunehmend in die öffentliche Wahrnehmung. Das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin der Universität Bern führt beispielsweise eine Sammlung von peer-reviewed Artikeln in wissenschaftlichen Journals zur Wirksamkeit einzelner Methoden auf (Quelle: Institut für Komplementäre und Integrative Medizin Universität Bern, Publikationen).

  • Bei der Behandlung von Kindern ist Komplementärmedizin besonders gefragt

97 Prozent der Patienten oder deren Eltern und Angehörige fragen Kinderärztinnen und Kinderärzte nach komplementärmedizinischen Behandlungen (Quelle: Swiss Medical Weekly, 2019).

Die Ausgabe 1/2025 der Fortbildungszeitschrift «Paediatrica» der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie enthält sechs Fachartikel zur Komplementär- und Integrativmedizin. Dr. med. Benedikt Huber vom Centre de pédiatrie intégrative am Kantonsspital Freiburg HFR schreibt in seinem Editorial: «Viele Kolleginnen und Kollegen erleben in ihrer klinischen Tätigkeit Grenzen der konventionellen Medizin und suchen darum aktiv nach Wegen, ihre Behandlungsmöglichkeiten zu erweitern und differenzieren» (Quelle: Paediatrica 1/2025).

  • Die Komplementär- und Integrativmedizin ist in der Grundversorgung fest verankert

Über 1000 Ärztinnen und Ärzte mit SIWF-anerkannten Fähigkeitsausweisen praktizieren ärztliche Komplementärmedizin in der Grundversorgung (Quelle: www.unioncomed.ch).

Die Komplementärmedizin wird in vielen Schweizer Spitälern im Rahmen eines modernen, integrativen Behandlungskonzepts eingesetzt. Sie dient als unterstützende Massnahme, um die Lebensqualität zu verbessern, Nebenwirkungen konventioneller Arzneimittel zu lindern, Antibiotika­resistenzen zu reduzieren und die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Komplementärmedizin ist beliebt in der integrativmedizinischen Behandlung beispielsweise von Krebs, chronischen Schmerzzuständen, Magen-Darm-Erkrankungen oder psychischen Krankheiten.

24 Spitäler bilden seit 2024 das «Swiss Network for Integrative Oncology». Fünf Universitätsspitäler bieten komplementärmedizinische Leistungen an, und der Verein integrative-kliniken.ch zählt aktuell neun Mit­glieder.

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Bilder: Ivan Samkov – Pexels.com / Alina Vilchenko – Pexels.com / zVg – Franziska Roth / Pascal MoraParlamentsdienste 3003 BernTitelseite Bulletin 41 – Redaktion Millefolia 


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