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«Die S3-Leitlinie Komplementärmedizin ist sehr hilfreich»

von Redaktion Millefolia

Von Karin Meier

Dr. med. Barbara Zeyen arbeitet als Spitalfachärztin und Psychoonkologin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern. Im Interview spricht sie über die Behandlung von Frauen mit Eierstockkrebs und die S3-Leitlinie Komplementärmedizin.

Rund 650 Frauen erkranken in der Schweiz jährlich an Eierstockkrebs. Wie behandeln Sie Patientinnen mit dieser Diagnose?
Barbara Zeyen: Die primäre und wichtigste Behandlung ist die Operation. Im Regelfall werden die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt. Oft hat sich der Eierstockkrebs zum Zeitpunkt der Operation schon ausgedehnt, sodass auch im übrigen Bauchraum Gewebe entfernt werden muss. Wegen der späten Diagnose ist danach meist eine Chemotherapie nötig.

Nützlich kann auch der Einsatz von Komplementärmedizin sein.

Immer mehr Frauen überleben den Eierstockkrebs und die Behandlung. Gesund fühlen sie sich deswegen längst nicht alle. Warum ist das so?
Die Erkrankung selbst wie auch die Behandlung beeinträchtigen das körperliche Wohlbefinden stark. Hinzu kommt, dass auch das seelische Wohlbefinden leidet: Die Diagnose ist oft ein Schock, der verarbeitet werden muss. Die Behandlungen können ebenfalls belastend sein. Bei der anschliessenden Rückkehr in die Normalität werden viele Frauen von der Angst vor einem Rezidiv begleitet. All dies führt dazu, dass sie sich nicht gesund fühlen. Das Angebot einer begleitenden psychologischen Betreuung im Sinne stützender Gespräche ist deshalb wichtig. Nützlich kann auch der Einsatz von Komplementärmedizin sein.

S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen

Die S3-Leitlinie Komplementärmedizin ist Teil des Leitlinienprogramms Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und der Deutschen Krebshilfe. Sie umfasst 630 Seiten und kann hier kostenlos als pdf heruntergeladen werden.

Inwieweit orientieren Sie sich dabei an der S3-Leitlinie Komplementärmedizin?
Im deutschsprachigen Raum ist das Bedürfnis nach Komplementärmedizin gross und die Nachfrage hoch. Wir als Schulmedizinerinnen sollten zumindest wissen, worum es geht, was wir einer Patientin empfehlen können, wovon abzuraten ist und bei wem sie in Therapie gehen könnte. Die S3-Leitlinie Komplementärmedizin liefert all diese Informationen und ist deshalb sehr hilfreich. In den Zusätzen finden sich zudem Adressen von seriösen Anbietern auch aus der Schweiz.

Im deutschsprachigen Raum ist das Bedürfnis nach Komplementärmedizin gross und die Nachfrage hoch.

Welche Methoden der Komplementärmedizin eignen sich bei der Behandlung von Frauen mit Eierstockkrebs?
Gemäss S3-Leitlinie Komplementärmedizin sind vor allem körperliche Aktivität und Sport angezeigt. Ich empfehle meinen Patientinnen deshalb schon während der Therapie, zumindest spazieren zu gehen. Wenn in dieser Zeit bereits andere sportliche Aktivitäten möglich sind, umso besser. Direkt nach Abschluss der Therapie können die Frauen zudem eine dreimonatige Sport-Rehabilitation im Inselspital beginnen. Hilfreich können auch achtsamkeitsbasierte Therapien, Meditation und Yoga sein. In Frage kommen zudem körperliche Massnahmen wie Akupressur und Ingwer gegen Übelkeit und Erbrechen infolge der Chemotherapie, Akupunktur oder eine Misteltherapie. Bei vielen anderen Therapien ist die Datenlage gemäss der S3-Leitlinie Komplementärmedizin zu schwach, um Empfehlungen abzuleiten.

Akupressur kann gemäss S3-Leitlinie Komplementärmedizin die Nebenwirkungen einer Chemotherapie lindern.

Nach dem Eingangstest wird ein individuelles Trainingsprogramm für Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit erstellt. Neben dem individuellen Training finden auch Gruppenangebote wie Ballspiele, Schwimmen oder Entspannungsübungen statt. Die Fortschritte werden nach sechs Wochen und am Ende der Reha getestet.

Welche Erfahrungen machen Ihre Patientinnen mit der Sport-Rehabilitation?
Alle Frauen verbessern ihre Ausdauer. Mindestens so wichtig ist ein anderer Aspekt: Oft ist der Eierstockkrebs im Stillen entstanden. Viele Patientinnen fühlen sich deshalb von ihrem Körper verraten. Mit dem Training schöpfen sie wieder Vertrauen in ihn. Ein wesentlicher Punkt ist weiter, dass die Frauen in der Reha schwach sein dürfen: Es ist selbstverständlich, dass sie müde sind, sich in einem Fitnessstudio noch nicht wohlfühlen und ihre Leistungsfähigkeit erst wieder aufbauen müssen.


Dr. med. Barbara Zeyen

Dr. med. Barbara Zeyen

Barbara Zeyen ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin FMH mit dem Schwerpunkt psychosomatische und psychosoziale Medizin und verfügt über eine Weiterbildung in Psychoonkologie und ärztlicher Hypnotherapie. Sie arbeitet seit 1994 beim Berner Inselspital, seit 2012 ist sie in der dortigen Frauenklinik leitende Ärztin. Zudem wirkt sie als Dozentin im CAS Psychosomatische und Psychosoziale Medizin an der Universität Zürich.


Bilder: pixabay, zvg

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