Von der Heilpflanze gegen Angststörungen bis zum Online-Tool für Multiple-Sklerose-Betroffene: Forschende der Komplementärmedizin erzielen wichtige Erfolge. Die Finanzierung ihrer Arbeit bleibt aber eine Herausforderung.
von Désirée Klarer
Neue Medikamente entwickeln ist teuer
Zwölf Jahre dauert es im Schnitt, und 2,5 Milliarden Dollar kostet es, bis ein neues Medikament zugelassen und verkauft werden darf. Das zeigt ein Bericht des Pharmaverbands Interpharma aus dem Jahr 2022. Kein Wunder, versuchen die Firmen daher, das Geld für die Forschung mit der Patentierung wieder reinzuholen und nicht selten auch gutes Geld damit zu verdienen.
Komplementärmedizin basiert oft auf natürlichen Stoffen
Die Anreize für Investoren, Forschungsgelder für Medikamente und nichtpharmazeutische Verfahren im Bereich der Komplementärmedizin aufzuwenden, sind dagegen gering. Warum? Eine Patentierung gestaltet sich schwieriger als bei künstlich hergestellten Stoffen. Zum einen deshalb, weil viele Medikamente auf natürlichen Stoffen basieren, die Schwankungen in ihrer Zusammensetzung unterliegen.
Zudem muss für die Gewinnung sogenannter kompetitiver Forschungsgelder häufig bewiesen werden, dass etwas wirklich neu ist. In der Komplementärmedizin ist das oft eine Herausforderung, weil viele Behandlungsmethoden auf altem Wissen aufbauen und oft schon im Einsatz sind. «Und dann fehlt uns oftmals das Geld, um die nötigen Studien durchzuführen», sagt Ana Paula Simões-Wüst, Naturwissenschaftlerin und Titularprofessorin der Universität Zürich.

Kautabletten mit dem Wirkstoff der Bryophyllum pinnatum-Pflanze haben in Studien eine klinisch relevante Verminderung von Angstsymptomen bewirkt.
Heilpflanze hilft bei Angststörungen
Dennoch wird auch in der Schweiz an verschiedenen Standorten intensiv geforscht. Beispielsweise an den Universitätsspitälern Bern, Zürich, Lausanne und Basel sowie an der Klinik Arlesheim. Letztere publizierte Ende 2024 eine Studie zum Einsatz der Heilpflanze Bryophyllum pinnatum. «Wir wollten herausfinden, inwieweit die Heilpflanze bei der Behandlung von Angststörungen helfen kann», sagt Paula Simões-Wüst, die die Studie geleitet hat.
In der Schweiz wird an verschiedenen Standorten intensiv geforscht.»
Die Studie lege nah, dass die Einnahme von Bryophyllum-haltigen Kautabletten eine klinisch relevante Verminderung von Angstsymptomen bewirke und einen positiven Einfluss auf Schlafqualität, Depression und Stress von betroffenen Personen habe. Diese vielversprechenden Ergebnisse zeigen das Potenzial komplementärmedizinischer Ansätze, die auch im Bereich der Schulmedizin Anerkennung finden.
Studie bestätigt Wirksamkeit von Heilpflanze bei Angstsymptomen
Die aktuelle Studie zur Heilpflanze Bryophyllum pinnatum der Klinik Arlesheim ist eine prospektive Arzneimittel-Studie und wurde in der Fachzeitschrift «Pharmaceuticals» publiziert. Sie untersucht die Wirkung von Bryophyllum 50 Prozent Kautabletten auf Angstsymptome und zeigt vielversprechende Ergebnisse. Die Ergebnisse motivierten dazu, die Forschung zu Bryophyllum weiterzuführen, um noch gezieltere Erkenntnisse für den klinischen Einsatz zu gewinnen, schreibt die Klinik Arlesheim.
Enge Zusammenarbeit zum Wohl der Betroffenen
«Vonseiten der Schulmedizin besteht durchaus Offenheit und Interesse an der Komplementärmedizin», betont die Naturwissenschaftlerin. Ein schönes Beispiel für die enge Zusammenarbeit und gegenseitige Offenheit beider Disziplinen sei das Basler Symposium für Integrative Medizin, das zum dritten Mal als Kooperation zwischen dem Universitätsspital Basel und der Klinik Arlesheim stattfindet und für den 20. September 2025 geplant ist. Ein weiteres Beispiel enger Zusammenarbeit ist die im Februar 2025 vorgestellte «Evidence and Gap Map» für Betroffene von Multipler Sklerose.
Ob Schul- oder Komplementärmedizin: Am Ende wollen wir alle das Beste für die Patientinnen und Patienten.»
Dabei handelt es sich um ein Online-Tool, das vom Institut für komplementäre und integrative Medizin am Universitätsspital Zürich in Zusammenarbeit mit dem MS-Register entwickelt worden ist. Es bietet einen systematischen Überblick über bisherige Studien zur Komplementärmedizin bei Multipler Sklerose und zeigt Forschungslücken auf. In der integrativen Medizin arbeitet die Schul- und Komplementärmedizin zusammen – in mehreren Schweizer Spitälern, Kliniken und Instituten ist die integrative Medizin bereits fest verankert. Simões-Wüst sagt: «Ob jemand nun Schul- oder Komplementärmedizin praktiziert: Am Ende wollen wir alle das Beste für die Patientinnen und Patienten.»
Forschung zu neuen Arzneimitteln ist wichtig:
- Mehr Forschung für bessere Evidenz in der Komplementärmedizin
- Forschung mit Herz, Hand und Verstand
- Homöopathie wirkt – das zeigt die Forschung
Bilder: Berryone – lummi.ai / Linda Luz – Pexels.com / Redaktion – millefolia.ch / Screenshot – Digital Health Space
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