Was lange in einem Genfer Keller lagerte, hat nun in der St. Galler Kantonsbibliothek Vadiana eine neue Heimat gefunden: die Homöopathie-Bibliothek von Dr. Pierre Schmidt, einem der bedeutendsten Homöopathen des 20. Jahrhunderts.
von Désirée Klarer
Eine der grössten Homöopathie-Bibliotheken Europas
Über 2500 Bücher und Zeitschriften rund um die Homöopathie – damit ist die Sammlung von Dr. Pierre Schmidt eine der grössten in ganz Europa. Sie vereint Werke aus den USA, England, Indien, Argentinien, Frankreich, Österreich, Deutschland und der Schweiz und dokumentiert eindrucksvoll die weltweite Entwicklung dieser Heilmethode. Ein Wissensschatz, der nicht verloren gehen sollte – dafür sorgte Dr. Pierre Schmidt in seinem Testament.
Die Homöopathie-Sammlung von Dr. Pierre Schmidt ist eine der grössten in ganz Europa.»
Nach seinem Tod 1987 wurde auf den Wunsch des Homöopathen hin die Fondation Pierre Schmidt gegründet, um sein Lebenswerk im Rahmen einer Stiftung weiterzuführen. Dr. Jost Künzli und Dr. René Casez wurden mit der Umsetzung beauftragt. 1994 veranlassten die beiden, dass die Sammlung in die Obhut von Dr. Hansjörg Heé in St. Gallen überging.
Zeitdokumente mit handschriftlichen Notizen
30 Jahre lang hat Dr. Hansjörg Heé diesen Schatz der Wissenschaft gehütet und unterhalten. Die Besonderheit der Bibliothek liegt darin, dass originale Quellentexte der Homöopathie gesammelt sind, die in anderen vergleichbaren Bibliotheken nur teilweise auffindbar seien, sagt Dr. Hansjörg Heé. «Zudem sind einige Quellentexte mit handschriftlichen Ergänzungen versehen, die bisher noch nicht vollständig ausgewertet wurden.» Die Notizen stammen von bedeutenden Persönlichkeiten der homöopathischen Geschichte, betont Heé.
Einige Quellentexte sind mit handschriftlichen Ergänzungen versehen, die bisher noch nicht vollständig ausgewertet wurden.» Dr. Hansjörg Heé
Nicht nur aufgrund der Original-Notizen ist die Sammlung von grosser Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf weitere Forschung. Die dokumentierten Verlaufsbeobachtungen zeigten, dass homöopathische Heilreaktionen sich in der Erstreaktion nicht immer sofort eindeutig vom Placebo-Effekt unterscheiden liessen. «Deshalb sind die umfangreiche Dokumentation von Arzneimittelprüfungen und die detaillierten Patientengeschichten fürs Studium besonders wertvoll», so Heé.
Die umfangreiche Dokumentation von Arzneimittelprüfungen und die detaillierten Patientengeschichten sind fürs Studium besonders wertvoll.» Dr. Hansjörg Heé
Dr. Pierre Schmidts Wirken und Vermächtnis
Dr. Pierre Schmidt erhielt seine homöopathische Ausbildung in Frankreich (Hôpital St. Jacques), London (Royal Homoeopathic Hospital) und in den USA, wo er bei Alonzo Austin und Frederica Gladwin studierte und Kontakte zu führenden Homöopathen knüpfte.
1921 kehrte er mit über 2000 Büchern nach Genf zurück, führte eine erfolgreiche Praxis und bildete bedeutende Schüler aus. Von 1946 bis 1971 lehrte er in Lyon. Sein Einfluss reichte bis nach Indien und Argentinien, wo er Vorträge hielt und mit Homöopathen wie Dr. Tomás Pablo Paschero zusammenarbeitete. 1987 verstarb Dr. Pierre Schmidt im Alter von 94 Jahren.
Besucher aus der ganzen Welt

In der Kantonsbibliothek St. Gallen findet die Homöopathie-Sammlung ihre neue Heimat.
Besuche der Homöopathie-Bibliothek waren auf Voranmeldung möglich: «Das Interesse war gross. Nicht nur Leute aus der Schweiz, sondern auch aus Kanada, den USA, Indien, den Niederlanden, Österreich und Deutschland kamen vorbei», berichtet Heé, der auch Anfragen für Kopien aus Büchern und Zeitschriften erfüllte. Im vergangenen Jahr hat Hansjörg Heé die Betreuung der Bibliothek alters halber aufgegeben – im August 2024 hat sie die St. Galler Kantonsbibliothek Vadiana übernommen. Auch dort soll der Wissensschatz der interessierten Öffentlichkeit zugänglich sein. Im laufenden Jahr ist geplant, sämtliche Scans auf der Website der Fondation Pierre Schmidt mit Suchprogramm zur Verfügung zu stellen.
Der Wissensschatz wird international verfügbar gemacht
In den Beständen der St. Galler Kantonsbibliothek gibt es bereits heute viele Dokumente zu unterschiedlichen Heilmethoden, darunter auch der Homöopathie. «Etliche Werke zur Homöopathie finden sich etwa in der Bibliotheca Masonica August Belz, einer weiteren Spezialbibliothek. Auch zu erwähnen ist die Materialsammlung zu Paracelsus von Robert-Henri Blaser», sagt Dr. Philipp Wiemann, Leiter Spezialabteilungen der Kantonsbibliothek Vadiana.
Die homöopathische Bibliothek von Dr. Pierre Schmidt werde nun über die nächsten Jahre in den Katalog und somit in das Angebot der Kantonsbibliothek integriert, sagt Wiemann. Der Inhalt werde fortlaufend erschlossen und die bibliografischen Daten beispielsweise über den Bibliotheken-Katalog WorldCat international verfügbar gemacht. «Innerhalb der Kantonsbibliothek bleibt sie aber in heutiger Form als gesondert aufgestellte Spezialbibliothek bestehen», sagt Wiemann.
Die Bibliothek ist öffentlich zugänglich
Ab dem Frühsommer 2025 soll die homöopathische Bibliothek in der St. Galler Kantonsbibliothek Vadiana auf Voranmeldung von Montag bis Freitag, jeweils von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr, zugänglich sein. Gegen Gebühren können auch Scans von Originaldokumenten in Auftrag gegeben werden.
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2 Kommentare
Liebe Frau Klarer,
Ihr Artikel gefällt mir sehr, die Querverweise und Bilder sind sehr ansprechend.
Ich hoffe, dass die Angebote gut genützt werden.
Mit herzlichem Gruss
Hansjörg Heé
Ich finde diese wertvolle Sammlung grossartig! Vielen Dank dafür!