Startseite InterviewsWas gut ist für die Gesundheit, ist auch gut fürs Klima

Was gut ist für die Gesundheit, ist auch gut fürs Klima

von Olaf Müller
Eine Frauenhand hält ein herbstlich verfärbtes gelbes Blatt

Schon vor 25 Jahren setzte er sich für die Anerkennung der Komplementärmedizin ein, heute macht er sich für den Klimaschutz stark: Dr. med. Hansueli Albonico denkt Gesundheit und Umweltschutz zusammen. Die Klimasprechstunde Langnau ist sein neuestes Projekt – soeben wurde es prämiert.

Interview: Tanya Karrer

Hansueli Albonico, die Stiftung für Naturheilkunde und Erfahrungsmedizin SNE zeichnet Ihr aktuelles Projekt «Klimasprechstunde Langnau» aus. Im Jahr 2000 haben Sie den allerersten SNE-Förderpreis für die komplementärmedizinische Abteilung am Spital Langnau gewonnen – wie hat der Preis Ihren Weg geprägt?

Mann mit weissem Haar, Brille und grauem Hemd sitzt an einem Tisch mit Druckerzeugnissen

Hansueli Albonico: Schon damals ging es mir darum, Medizin ganzheitlich zu denken. Mit meiner Frau Danielle Lemann habe ich in Langnau eine Gemeinschaftspraxis aufgebaut und parallel am Spital Emmental die erste komplementärmedizinische Abteilung an einem öffentlichen Akutspital gegründet.

Es folgten intensive wissenschaftliche und politische Auseinandersetzungen um die Anerkennung der Komplementärmedizin, mit dem überwältigenden Volks-Ja 2009 als Höhepunkt. Der SNE-Preis von 2000 war eine wichtige Bestätigung auf diesem Weg und motiviert mich bis heute, Medizin, Gesellschaft und Umwelt gemeinsam zu denken.

Worum geht es bei Ihrem neuen Projekt «Klimasprechstunde Langnau»?

Die Klimasprechstunde verbindet die hausärztliche Sprechstunde mit Klima- und Umweltschutz. Es zeigt sich immer deutlicher, auch von wissenschaftlicher Seite, dass ein gesunder Lebensstil nicht nur den Menschen nützt, sondern auch dem Klima und dem Planeten.

Dr. med. Hansueli Albonico führte zusammen mit seiner Frau Danielle Lemann von 1985 bis 2023 eine anthroposophische Hausarztpraxis in Langnau im Emmental. Er war an der Gründung der komplementärmedizinischen Abteilung des Spital Emmentals sowie des Dachverbands Komplementärmedizin Dakomed (Herausgeber von millefolia.ch) beteiligt. 2023 gründete Hansueli Albonico die Klimasprechstunde Langnau.

Wie sieht ein Lebensstil aus, der für den Menschen und das Klima gesund ist?

Die Klimasprechstunde stützt sich auf vier Pfeiler: Ernährung, Bewegung, Natur und mein Steckenpferd «less is more». Eine pflanzenbasierte Ernährung senkt beispielsweise das Risiko für Arteriosklerose und Krebs und reduziert gleichzeitig den Ausstoss von CO2. Das Potenzial in diesem Bereich ist riesig! Bewegung steigert die Lebensqualität und verringert den motorisierten Verkehr. Und wenn wir uns mehr in der Natur bewegen, beugen wir Allergien vor und fördern unser Bewusstsein für die Umwelt.

Bildmontage Salatteller-Mesnchen beim Spazieren-Naturerlebnis-Selbstheilung aktivieren

Die vier Eckpfeiler der Klimasprechstunde: Ernährung, Bewegung, Natur und vernünftig Leben.

Und was bedeutet «less is more» konkret?

Wir verschreiben in der Schweiz zum Beispiel zu viele chemische Medikamente. Aus meiner Erfahrung als Hausarzt weiss ich, dass wir den Verbrauch auf etwa einen Drittel herunterschrauben könnten, ohne dass jemand zu leiden hätte. Zum Beispiel heilen viele Infekte von allein oder mit komplementärmedizinischer Unterstützung. Als junger Arzt wurde ich kritisiert, wenn ich einem Kind mit Mittelohrentzündung keine Antibiotika gab.

Viele Infekte heilen von allein oder mit komplementärmedizinischer Unterstützung. Dr. med. Hansueli Albonico

Heute, im Zeitalter der Antibiotikaresistenzen, setzt sich glücklicherweise das Prinzip «abwarten und beobachten» immer mehr durch. Ein achtsamer Umgang schützt Patientinnen und die Umwelt, weil Medikamente vom Körper nicht vollständig abgebaut werden und als Rückstände wieder in die Natur gelangen.

Sie sehen auch das Gesundheitswesen in der Pflicht. Inwiefern?

Zwei Laboranten bei der Arbeit im LaborMedizinische Einrichtungen in der Schweiz verursachen mehr CO₂ als der gesamte Flugverkehr. Viele Produkte, vom Besteck bis zum Endoskop, sind Einwegartikel, manchmal werden andere von den Krankenkassen gar nicht vergütet. In Spitälern ist zum Beispiel auch der Wasserverbrauch enorm.

Besonders aber die Erforschung, Herstellung, der Vertrieb und die Anwendung von Medikamenten belasten den Planeten und damit den Menschen. Diclofenac, ein gängiger Wirkstoff in Schmerzmitteln, wird in Kläranlagen kaum abgebaut und wird heute bis in die Antarktis nachgewiesen. Gesundheitswesen und Umwelt sind untrennbar miteinander verbunden.

Wie reagieren die Menschen auf Ihr Angebot der Klimasprechstunde?

Viele möchten handeln, vielleicht auch aus einer gewissen Resignation heraus. Sie wollen wissen, wie sie gleichzeitig ihre eigene Gesundheit stärken und die Umwelt schonen können.

Gesundheitswesen und Umwelt sind untrennbar miteinander verbunden. Dr. med. Hansueli Albonico

Zu mir kommen etwa Veganer, die sicherstellen wollen, dass ihre Ernährung ausgewogen bleibt, oder Bäuerinnen, die sich Gedanken über den sinkenden Fleischkonsum machen.

Klimasprechstunde Langnau von Dr. med. Hansueli Albonico

Wann:                         Jeden ersten Freitag im Monat, von 16.00 bis 20.00 Uhr
Wo:                             Altes BZ-Gebäude, Dorfstrasse 5, Langnau im Emmental
Anmeldung Mail:    hu.albonico@hotmail.com
Anmeldung Tel.:      034 402 14 19


Die Klimasprechstunde ist kostenlos.

Warum setzen Sie sich persönlich so stark für den Klimaschutz ein?

Die Klimakrise betrifft uns alle, und als Arzt sehe ich täglich, wie eng Umwelt und Gesundheit verbunden sind. Viele Menschen spüren eine Art Klimaangst oder sprechen von Resignation. Ich erlebe aber auch Positives: eine «kreative Resignation». Sie bedeutet, dass wir uns trotz der Krise handlungsfähig halten.

Wir können unseren Lebensstil anpassen, gesünder leben und gleichzeitig die Umwelt entlasten. Eine solche Einstellung würde im Rahmen der Präventivmedizin enorm Kosten sparen!

Welche Rolle spielt die Komplementärmedizin?

Eine Physiotherapeutin unterstützt eine auf einer Matte sitzende Kundin beim Körpertraining mit leichten HantelnSie nimmt sich Zeit und setzt nach Möglichkeit auf erprobte, natürliche Medikamente, äussere Anwendungen, Körpertherapien und künstlerische Therapien. Damit bewegt sie sich nah am Menschen und an der Natur. Der notorische Zeitdruck der Haus- und Kinderärzte sollte sich mit dem neuen Krankenkassentarif Tardoc hoffentlich etwas entschärfen. Bei den Heilmitteln bringen aber strenge und zum Teil unsinnige Auflagen kleine Hersteller in Bedrängnis.

Die Komplementärmedizin bewegt sich nah am Menschen und an der Natur. Dr. med. Hansueli Albonico

Viele steigen deshalb auf Nahrungsergänzungsmittel um, wodurch weniger natürliche Medikamente verfügbar sind. Das betrifft auch Naturheilpraktikerinnen. Wichtig zu wissen, gerade auch für meine Berufskolleginnen und -kollegen: Zahlreiche komplementärmedizinische Arzneimittel können über die Krankenkassen abgerechnet werden.

Noch ist Ihre Klimasprechstunde ein Pilotprojekt. Wie geht es weiter?

Meine Vision ist, dass die Klimasprechstunde ein selbstverständlicher niederschwellig zugänglicher Bestandteil der Haus- und Kinderarztpraxis wird. Dazu braucht es einerseits im Rahmen des Medizinalberufegesetzes die Aufnahme in den Lernzielkatalog, und andererseits die Abbildung in der Tarifstruktur.

Bis dahin möchte ich zusammen mit Fachgesellschaften ein Tool entwickeln, das Ärztinnen und Ärzte bei der Beratung unterstützt. Wenn wir es schaffen, Gesundheit und Klimaschutz enger zu verbinden, profitieren alle: die Patientinnen und Patienten, das Gesundheitswesen – und der Planet.

30 Jahre Stiftung für Naturheilkunde und Erfahrungsmedizin SNE

Die Stiftung für Naturheilkunde und Erfahrungsmedizin SNE begeht 2025 ihr 30-jähriges Bestehen, unter anderem mit einem Symposium am 26. September in Solothurn, wo Dr. med. Hansueli Albonico der SNE-Förderpreis für seine «Klimasprechstunde Langnau» überreicht wird. Das Symposium ist dem Thema «Stoff-Wechsel – Gesundheit im Wandel der Zeiten» gewidmet. Die SNE fördert Forschung und Lehre im Bereich Naturheilkunde und Erfahrungsmedizin.

Lesen Sie auch das Millefolia-Interview mit Stefan Kaufmann, Präsident der Stiftung für Naturheilkunde und Erfahrungsmedizin SNE:


Bilder: Nadiia Shuran – Unsplash.comTanya Karrer / Montage: Redaktion Millefolia, Pexels Photo, shotbythivi, Elena Kloppenburg / National Cancer Institute – Unsplash.com / Freepik.com


Was denken Sie über die Verbindung von Gesundheit und Klima?

Der Mensch ist Teil der Natur – seine Gesundheit und diejenige des Planeten hängen untrennbar zusammen. Was sind Ihre Erfahrungen oder Gedanken dazu? Wir freuen uns über Ihre Kommentare!

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Jede noch so kleine Spende hilft, künftige Beiträge zu ermöglichen. Herzlichen Dank!

Diesen Beitrag teilen

Schreiben Sie einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Bleiben Sie informiert

und erhalten Sie per E-Mail eine Auswahl der besten Artikel und Informationen.

 

Millefolia:
natürlich
gesund
vielseitig

 

Millefolia-Newsletter: ausgewählte Artikel, Tipps und Veranstaltungen
Dakomed-Newsletter: Informationen zu politischen Entwicklungen und Verbandsaktivitäten

Welche unserer Newsletter möchten Sie abonnieren?

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail gesendet, bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung durch Klick auf den Link.

Tenez-vous au courant

en recevant par courriel une sélection des meilleurs articles et informations. 

 

Millefolia :
Nature
Santé
Diversité

 

Infolettre Millefolia : articles choisis, conseils, manifestations
Infolettre Fedmedcom : informations sur l’évolution politique et les activités des associations

Infolettres désirées

Merci beaucoup ! Nous vous avons envoyé un e-mail, veuillez confirmer votre inscription en cliquant sur le lien.